Wolkenburg (Sachsen)

Artefakte - Denkmale deutscher Geschichte
Fotos: Martin Schramme | Keine Verwendung der Bilder ohne Nachfrage!
letzte Änderung: 25.08.2022

Wolkenburg an der Mulde ist seit dem Jahr 2000 nach Limbach-Oberfrohna eingemeindet und befindet sich an der seit 1875 betriebenen, inzwischen aber stillgelegten Eisenbahnstrecke Glauchau-Wurzen, die auch als Muldentalbahn bekannt ist. Trotz der überschaubaren Größe des Ortes sorgte die Lage an der Mulde bis zum Ende der DDR zu einer beachtlichen wirtschaftlichen Entwicklung. Erst gewann man Silber und Salpeter, später kam die Papier- und Textilproduktion dazu.

Papierfabrik Wolkenburg

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1721 begann die Geschichte der Papierherstellung in Wolkenburg mit einer Pappenmühle. 1892 gründete Richard Berger die Papierfabrik Wolkenburg. Bis zum Spätsommer 1942 lief die Papierproduktion, dann schlug das Reichsluftfahrtministerium des immer mehr außer Rand und Band geratenden Nazi-Regimes zu und requirierte das Objekt für den Flugzeughersteller Junkers. Statt Papierrollen verließen nun Flugzeugmotoren die Fabrikhallen. Dank des werkseigenen Bahnanschlusses waren sämtliche Transporte leicht zu bewerkstelligen. Noch am Ende des letzten Kriegsjahres 1945 lief die Papierproduktion wieder an. Nach Jahren der staatlichen Beteiligung kam 1972 in der Hochzeit der Kombinatsbildung in der DDR die vollständige Verstaatlichung auch dieser Fabrik. Ab 1976 gehörte die Fabrik in Wolkenburg zur Papierfabrik in Penig. Von sich reden machen die Wolkenburger, als sie speziell für die vom Westen wegen des sowjetischen Einmarsches 1979 in Afghanistan boykottierten Olympischen Spiele 1980 in Moskau eine Kartonage für Zielscheiben entwickelten. Nach der Reprivatisierung im Zuge der Kapitulation der DDR 1990 folgte bereits im Sommer 1991 die Schließung. In den Folgejahren verfielen die historischen Gebäude, allerdings wurde am Wasserkanal, der quer durch das Betriebsgelände verläuft, eine Wasserkraftwerk installiert.

Bahnhof Wolkenburg (Baudenkmal anno 1875)

Bahnhof Wolkenburg, Foto: Martin Schramme Bahnhof Wolkenburg, Foto: Martin Schramme

Die Muldentalbahn wiederbeleben und den Bahnhof Wolkenburg sanieren - das waren die kühnen Ideen einer Investorengruppe, deren Pläne Anfang 2020 die Runde machten. Die Regionalzeitung "Freie Presse" berichtete. Sofort meldeten sich Skeptiker und Gegner. Im Sommer 2022 war der Bahnhof noch immer verwaist und verfiel offenbar weiter ungebremst. Der Bahnhof hat besser Zeiten erlebt. Im Mai 1875 erlebte Wolkenburg die Einweihung des Bahnhofs an der Strecke Glauchau-Wechselburg, die sich im schön an der Mulde entlangschlängelte. Ab 1986 galt Wolkenburg nur noch als Haltepunkt. Im August 2002 kam das Ende. Seitdem ruht der Betrieb und die Natur holt sich das Gelände schrittweise zurück.

Spinnmühle für Schafwolle (gegr. 1795)

Spinnerei Wolkenburg, Foto: Martin Schramme, 2022 Spinnerei Wolkenburg, Foto: Martin Schramme, 2022 Spinnerei Wolkenburg, Foto: Martin Schramme, 2022 Spinnerei Wolkenburg, Foto: Martin Schramme, 2022 Spinnerei Wolkenburg, Foto: Martin Schramme, 2022

1795 gründete Detlev Carl Graf von Einsiedel in Wolkenburg die erste sächsische Schafwoll-Maschinenspinnerei. Ziel: Importe aus England ersetzen. Merino-Schafe sollten die benötigte Wolle liefern. Beim Aufbau der Fabrik ließen sich die Wolkenburger von Engländern helfen. Doch der Erfolg blieb aus. Die Gebrüder Friedrich Gottlob Benjamin Krause und Ernst August Krause, Spinnfabrikanten aus Chemnitz, sollten es richten. Bis zum Konkurs der Fabrik 1851 lieferten sie erstklassige Garne. Dann übernahm zunächst ein Kaufmann die Spinnfabrik, bis 1886 ein Konsortium Leipziger Großkaufleute zuschlug und das Unternehmen fortan Leipziger Baumwollweberei Wolkenburg nannte. Zunächst war Leipzig Firmensitz, ab 1897 aber Wolkenburg. Bis weit in die NS-Zeit hinein lief das Geschäft. Das änderte sich im Totalen Krieg, den Josef Goebbels, Minister für Volksaufklärung und Propaganda, am 18. Februar 1943 während seiner bekannten, 108-minütigen Rede im Berliner Sportpalast verkündete.

1943 erfolgte die Umstellung auf Rüstungsgüter. Die Firma Opta Radio AG Leipzig stellte bis zum Kriegsende 1945 Geräte für die Luftfahrtindustrie her. Dabei kamen KZ-Häftlinge zum Einsatz. Nach dem Krieg folgte die Verstaatlichung des Betriebs. Die Weberei nahm wieder ihren vollen Betrieb auf, zunächst als Leipziger Baumwollwerberei und Baumwollweberei Wolkenburg, dann ab 1953 als VEB Baumwollwebereien Hohenstein-Ernstthal Werk II Wolkenburg, um ab 1964 als VEB Malitex Hohenstein-Ernstthal, Werk II weiter zu produzieren. Malitex war die Abkürzung für Malino-Textilien. Malimo wiederum war die Abkürzung für die DDR-Textilinnovation von Heinrich Mauersberger (Ma) aus Limbach-Oberfrohna (limo). Beim Textilgewebe Malimo handelte es sich um so genannte Kettstichware.

Wolkenburg produzierte ein breites Warensortiment darunter Bettlaken, Bitumenbinden, Campingtuchstoffe, Dekostoffe, Isoliergaze, Kleiderstoffe, Lincrusta, Möbelstoffe und Netztuchstoffe. Licrusta ist ein Kunstwort aus den lateinischen Wörtern für Leinen (linum) und harte Schale (crusta) und bezeichnet einen wasserfesten, druck- und schlagfesten Wandbelag.

1989 konnte man in Wolkenburg noch "40 Jahre Malimo" und "25 Jahre Malitex" feiern, doch schon Ende 1991 gingen die Lichter aus. Ende der DDR, keine Aufträge, keine Zukunft. 1992 wurde die komplette Ausrüstung der Fabrik ausgeschlachtet, dann folgten Leerstand und Verfall. Das Finale kam 2008 mit dem Abriss des Schornsteins und der Fabrikgebäude.

Vom Fabrikensemble stehengeblieben ist nur das älteste der Fabrikgebäude, die alte Schafspinnerei, das eher wie ein Herrenhaus anmutet. Die Gemeinde sucht bereits länger erfolglos nach einem Investor.

Poliklinik Wolkenburg (DDR)

Poliklinik Wolkenburg, Foto: Martin Schramme, 2022 Poliklinik Wolkenburg, Foto: Martin Schramme, 2022 Poliklinik Wolkenburg, Foto: Martin Schramme, 2022

Auf einem Ziegelbau schräg gegenüber dem baulichen Rest der alten Spinnerei in Wolkenburg befindet sich ein Artefakte aus der DDR, die Aufschrift "Poliklinik". Polikliniken und Ambulatorien waren typische Einrichtung des Gesundheitswesens im sozialistischen Arbeiter-und-Bauern-Staat DDR. In diesen staatlichen, ambulanten Kliniken befanden sich Ärzte aus mindestens vier verschiedenen Fachgebieten. Auch in Wolkenburg befand sich eine solche Einrichtung, wie man einem verblichenen Schild noch im Sommer 2022 erkennen konnte. Freilich war die Poliklinik zu dieser Zeit schon lange vergessen und aber immerhin befand sich im Haus eine Zahnarztpraxis.

Gasthof Wolkenburg

Gasthof Wolkenburg, Foto: Martin Schramme, 2022 Gasthof Wolkenburg, Foto: Martin Schramme, 2022

Der Schriftzug war breiter, die Fensterrahmen der oberen beiden Etagen waren etwas verspielter und auf der rechten Seite an der Straßenfront gab es noch einen kleinen Anbau im Jahr 1934, auf das eine Postkarte datiert ist, die im Sommer 2022 auf akpool.de zu finden war. Der Gasthof Wolkenburg warb damals mit Gesellschafts- und Fremdenzimmern, schattigem Garten und Ballsaal mit Orchestrium. Noch etwas früher zur Kaiserzeit war auf kolorierten Postkarten vom Concert-, Ball- und Garten-Etablissement Gasthof Wolkenburg zu lesen.

Historisches Haus

historisches Haus, Foto: Martin Schramme 2022 historisches Haus, Foto: Martin Schramme 2022

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Betriebe in der DDR
VEB Mitteldeutsche Baumwollweberei Wolkenburg (1953 Eingliederung in den VEB Automatenweberei Sachsenring, Hohenstein-Ernstthal)

Wirtschaft in vor 1945
Gasthaus Wolkenburg
Hammermühle Wolkenburg (Getreide- und Sägemühle)
Papierfabrik Wolkenburg
Salpetersiederei
Silberbergwerk und Silberwäsche

Begriffslegende

Quellen
akpool.de
lotsearch.de
oldthing.de
picclick.de
wolkenburg-kaufungen.de