100 Jahre Niedergang und Gesichtsverlust

letzte Aktualisierung: 25.02.2024 | präsentiert von perladesa media

Vorwort: Die Darstellungen im folgenden Beitrag sind meine persönliche Meinung aufgrund meiner Beobachtungen, Erfahrungen und Kenntnisse. Emotional bedingte Überhöhungen inklusive. Jeder Leser kann es anders sehen. Aus gegebenen Anlass weise ich jedoch darauf hin, dass ich Leser-Reaktionen gerne zur Kenntnis nehme, jedoch nur sachliche und konstruktive Leserzuschriften beantworten werde.

Der Niedergang von Kultur und Tradition in Mitteldeutschland ist dramatisch. Der erste Weltkrieg, die Verirrungen der Weimarer Republik, das Terrorregime der Nazis, der Zweite Weltkrieg samt Bombenterror, die Besetzung durch Truppen aus USA und Sowjetunion, der Kalte Krieg und die Feindschaft der DDR gegen Kirche und Bürgertum, die Unterwerfung und Ausplünderung seit 1990 durch das westdeutsche Geldregime und die Folgen der Monetarisierung von Umweltschutzkonzepten (speziell Windkraft- und Solarkraft-Werke) haben dieses Land immer aufs Neue eines Teils seiner über Jahrhunderte gewachsenen Identität beraubt. Das zeigt sich exemplarisch an der radikalen Umwandlung und Zerstörung der Architektur in den Industrie- und Stadträumen. Sicherlich entwickelt sich jede Gesellschaft weiter und der Abriss von Bauwerken zugunsten neuer Bauwerke ist auch nicht neu. Neu jedoch sind das Tempo und die Radikalität, mit der das in den letzten 100 Jahren geschah. Doch selbst das allein wäre vielleicht zu verschmerzen, wenn da keine vollständige Entleerung stattfände, die sich in Beliebigkeit, Geschmacklosigkeit, Uniformität und Ideenlosigkeit manifestiert.

Besonders die letzten beiden deutschen Kaiser regierten ein Land, das prosperierte, pulsierte, reich und vielfältig war, das vom Stolz einer Nation kündete, die sich über Jahrhunderte einen vorderen Platz in der Welt erarbeitete mit Kultur, Fleiß und Erfindergeist. Die deutschen Städte präsentierten sich in einer Pracht, die man heute oft nur noch erahnen kann. Als Overtüre der Zerstörung dieser deutschen Kulturlandschaft kann der Erste Weltkrieg verstanden werden, auch wenn schon am Vorabend des Weltbrandes die negativen Folgen des zu schnellen Wachstums der Städte zu beklagen waren, die für die Arbeitsschaft oft nur dunkle, baumlose Hinterhoftristesse übrig hatten. Der auf dem Felde der Diplomatie im Gegensatz zu Reichskanzler Otto von Bismarck dilettantische deutsche Kaiser Wilhelm II. ließ sich 1914 zum Krieg mit Frankreich, England und Russland provozieren und verspielte innerhalb von vier Jahren alles, was Deutschlands weltweites Ansehen und seine wirtschaftliche Stärke einst bewirkte. Nach dem Kriegsende 1914, konkret um den Jahreswechsel 1918/1919 versank das Deutsche Reich im Chaos. Revolte, Revolution, Notstand hießen die neuen Vokabeln. Auf den geistigen Trümmern der Monarchie und dem wachsenden Elend der durch den Diktat-Frieden von Versailles geknebelten Nachkriegsgesellschaft gediehen die Utopien vom neuen Menschen und mit ihnen die Idee von der neuen Stadt. Modernität hieß das neue Schlagwort und die Schule des Bauhauses in Dessau und Weimar war ganz vorne dabei. Dem neuen Denken fielen schrittweise die schönen Fassaden zum Opfer. Die Hässlichkeit des Hinterhofs dehnte sich in an die Straßenfronten aus. Schnelles, billiges Bauen wurde populär.

Mit dem Machtantritt der Nationalsozialisten und ihren Schlägertrupps von der SA begann die nächte Welle der massiven Zerstörung von Kultur und Tradition. Das durch Jahrhunderte währende Einwanderungs- und Durchmischungsgeschichten geprägte, deutsche Land zwischen Maas und Memel definierte sich nun plötzlich reinrassisch, arisch und antijüdisch. Stumpfheit, Massenverblödung und Größenwahn völkischem Kitsch und brachialgewaltige Monumentalbauten. Bedeutende Bauwerke wurden zerstört und wesentliche Elemente der deutschen Bildungsschicht radikal unterdrückt, verfolgt und aus dem Land getrieben oder vernichtet. Auf den Rücken von Abermillionen Arbeitssklaven ließ das Deutsche Reich zahlreiche Monumentalbauten anlegen, die wegen ihrer unfassbaren Ausmaße bis heute einen festen Platz in der Industrie-, Wirtschafts-, Militär- und Architekturgeschichte haben.

Massiven Schaden nahmen viele deutsche Städte dann endgültige im Zuge des Zweiten Weltkriegs (1939-1945). Insbesondere die englischen, aber auch die amerikanischen Fliegerkräfte warfen gigantische Mengen Bomben auf Deutschland. Am schwersten traf es die Städte. Betroffen waren Wohnhäuser wie Kulturgüter und Industrieanlagen. Alles versank in Schutt und Asche. Das erklärte Ziel: Die Moral der Deutschen brechen und im Zweifel das ganze Land von der Landkarte tilgen. Immerhin vertraten sowohl Churchill als auch Roosevelt die Auffassung, dass Deutschland und insbesondere das militaristische Preußen aufgeteilt werden müssten. Auf Initiative von Stalin einigte man sich 1944 auf eine Variante, die zumindest dem deutschen Kernland den Weiterbestand sicherte. Doch zunächst regneten 2,7 Millionen Tonnen Bomben auf das Deutsche Reich. Besonders schwer getroffen wurden unter anderem die Städte Magdeburg, Chemnitz, Plauen, Würzburg, Nürnberg, Ludwigshafen, Frankfurt am Main, Köln, Düsseldorf, Dortmund, Essen, Hannover, Kiel, Braunschweig und Bremerhaven. Im Laufe des Krieges waren in Deutschland schätzungsweise 3,6 Millionen Wohnhäuser schwer beschädigt oder zerstört worden.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges am 8. Mai 1945 ging die Zerstörung der deutschen Wirtschaft, Architektur und Kultur weiter. Zunächst nahmen die Alliierten Wissenschaftler, Fachleute, Patente im Wert eines dreistelligen Milliardenbetrags, weitere wichtige Akten, Exemplare der "Wunderwaffen" wie der Horten 229, Forschungsanlagen wie den Forschungsreaktor Haigerloch und alles, was sonst irgendwie von Nutzen war, mit. Auch Kulturgüter wurden außer Landes von Sowjets und Amerikanern außer Landes gebracht. Die Sowjets hatten allerdings noch in frischer Erinnerung, wie rücksichtslos die Deutschen in der Sowjetunion zahlreiche Kunstschätze zerstört und geraubt hatten. Zur Plünderung von Wissenschaft und Kunst kam die Demontage ganzer Betriebe und die Mitnahme von Eisenbahnschienen und Oberleitungen. Dann etablierten sie schrittweise oft an Hässlichkeit kaum zu überbietende Zweckbauten, nicht selten mitten im Herz der vom Bombenkrieg zerschundenen deutschen Städte. Die Umerziehung der Deutschen zu treuen Vasallen fand zunehmend auch seinen Ausdruck in Formen und Strukturen, welche die eigene Geschichte und Größe vergessen machten. Die technische Entwicklung, fortschreitende Globalisierung und insbesondere die wachsende Automobilität machte das Land zwischen Oder und Rhein zum Degenerat geschmackloser Profitmaximierung und kulturlosen Massenkonsums im Westen und zum Krüppel planwirtschaftlicher Experimente und fortschrittsgläubiger Vergangenheitsfeindschaft.

Dann kam die Treuhandanstalt (THA) im Zuge der Einverleibung der DDR durch die BRD. Gegründet als Verwahr- und Schutzanstalt für das Volkseigentum des sozialistischen Staates wurde die Anstalt durch Westberater noch vor der Vereinigung der 40 Jahre getrennten Teile des deutschen Vaterlandes zum Privatisierer und Liquidator umfunktioniert. Was folgte war eine Vernichtung von Eigentum und Steuergeldern in kriminellem Ausmaß. Dazu sind inzwischen mehrere Bücher erschienen. So kommt Yana Milev, auf den Politikwissenschaftler Herbert Graf verweisend, in ihrem Buch "Das Treuhandtrauma" zu folgender Bilanz: Rund 8500 DDR-Betriebe mit mehr als vier Millionen Werktätigen gerieten unter westdeutsches Kuratel. Betroffen waren zudem 40.000 Geschäfte und Gastwirtschaften sowie unter anderem Hotels und Ferienheime, Krankenhäuser, Polikliniken, und Parteieigentum. 250.000 laufende Meter Akten hat die THA produziert, weil die Akten jedoch bis 2020 unter Verschluss blieben, konnte Vieles bisher nicht aufgearbeitet werden. 80 Prozent des Eigentums ging an Westdeutsche. 50.000 Tonnen druckfrische Bücher der DDR-Verlage wurden vernichtet. Für die meisten DDR-Betriebe endete das Treiben der THA mit der Liquidation. Viele traditionsreiche Fabriken standen binnen weniger Jahre still und leer und oft waren die historischen Bauwerke endgültig dem Verfall preisgegeben.

Auch die Privatisierung der Deutschen Bahn bedeutete für viele historische Bauwerke das endgültige Aus. Nach der Fusion von Reichsbahn (DDR) und Bundesbahn (BRD) begann 1994 das Abenteuer als Aktiengesellschaft und seit 2004 versucht der Bund, die Bahn zu privatisieren. Das Hauptaugenmerk lag dabei auf der Frage, wie man die gigantische Infrastruktur profitabel verschlanken könnte. Die letztlich absurde und in England bereits gescheiterte Idee führte zu einem regelrechten Abverkauf von Bahn-Immobilien oder deren Abriss. Zahlreiche Bahnhöfe waren bereits stillgelegt und verfielen in der Folge weiter.

2005 stieg der Ausbau der Photovoltaik sprunghafte an. Überall entstanden Solarkraftwerke. Dafür brauchte man große Flächen. In der Folge kam es zu intensiven Abrissaktivitäten auf bebauten industriellen Brachflächen, die bereits viele Jahre verfielen. Statt die Vernichtung eines ganze Jahrhunderts kritisch zu begleiten, beteiligte sich die ortsansässige Presse zumeist mit dem immer gleichen Klagelied über "Schandflecke", die doch endlich verschwinden mögen.

Geschichtsvergessenheit und Vandalismus nahmen im Laufe der vergangenen 20 Jahre immer dramatischere Züge an. Viele schutzwürdige Orte waren 2022 verschwunden oder so stark zerstört, dass man nicht mehr von Patina, sondern nur noch von Müllhalden sprechen konnte. Falsche Versprechen, dreiste Spekulationen, Ideenlosigkeit und Lethargie mündeten vielfach in die Erfüllung der Kohl-Rede von den blühenden Landschaften, nur dass nicht die Wirtschaft, sondern die Natur blühte. Die technische Entwicklung hat den Prozess beschleunigt. Überall-Internet, brauchbare Handyfotos für Jedermann, Tracking, Google Maps und Co lenkten immer mehr Aufmerksamkeit auf die teilweise fast vergessenen Orte. Gepaart mit wachsender Respektlosigkeit, Langeweile und dem in Teilen der Gesellschaft geradezu zelebrierten Selbsthass gegen alles Deutsche hat für viele Objekte die letzte Stunde geschlagen.

Doch es gibt auch etliche Beispiele, wo teilweise sehr große Industriebauten bis zum Jahr 2022 saniert und in eine neue Nutzung überführt waren. Allerdings ist dort oft zu beklagen, dass die Bauwerke totsaniert oder unansehnlich modernisiert worden sind. Jedenfalls ist das Aussehen vieler deutscher Städte inzwischen sehr beliebig, austauschbar und entseelt.

Links
Bundeszentrale für politische Bildung

Quellen
Der zivile Luftschutz im Zweiten Weltkrieg, Dokumentation und Erfahrungsbericht über Aufbau und Einsatz, bearbeitet von Erich Hampe, Präsident der Bundesanstalt für zivilen Luftschutz a. D., Bernard & Graefe Verlag für Wehrwesen, Frankfurt am Main 1963

 

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