Tangerhütte (Altmark, Sachsen-Anhalt)

Artefakte - Denkmale deutscher Geschichte
Fotos: Martin Schramme | Keine Verwendung der Fotos ohne Nachfrage!
letzte Änderung: 12.09.2023

Mit Aufbau der Eisenhütte ab 1842 entwickelte sich Tangerhütte zum Industriestandort. Allerdings dauerte es noch bis 1928, ehe der Ortsname von Vaethen in Tangerhütte (nach der Hütte an der Tanger) geändert wurde.

Eisenhütten- & Emaillirwerk Tangerhütte (gegr. 1842)

Eisenwerke Tangerhuette, Foto: Martin Schramme, 2014 Eisenwerke Tangerhuette, Foto: Martin Schramme, 2014 Eisenwerke Tangerhuette, Foto: Martin Schramme, 2014 Eisenwerke Tangerhuette, Foto: Martin Schramme, 2014 Eisenwerke Tangerhuette, Foto: Martin Schramme, 2014
Glück auf 1896
Eisenwerke Tangerhuette, Foto: Martin Schramme, 2014
Brandschutz ist Volksschutz

Eisenwerke Tangerhuette, Foto: Martin Schramme, 2014 Eisenwerke Tangerhuette, Foto: Martin Schramme, 2014

Raseneisenstein ist ein erzhaltiges Sediment in feuchten Niederungen. Es kann bis zu 45 Prozent angereichert sein, liegt in einer bis zu 50 Zentimeter mächtigen Schicht unter der Grasnarbe und kann faktisch mit dem Spaten ausgegraben werden. Ein solcher Fund im Jahr 1842 im Tal des Flüsschesn Tanger beim Dorfe Väthen bewog zwei Magdeburger, in der gottverlassenen, dörflichen Gegend eine Hütte zu gründen. Im März 1844 kam bei Johann Jacob Wagenführ das erste Eisen aus dem Ofen. Das "Eisenhütten- und Emaillirwerk Tangerhütte", später "Eisenhütten- und Emaillierwerk AG", hatte den Betrieb aufgenommen. Die Eisengewinnung aus Raseneisenstein erwies sich jedoch schon bald als wenig gewinnbringend. Mit der Übernahme der Unternehmensleitung 1889 durch den kunstsinnigen Ferdinand Rudolf Curt von Arnim, angeheiratet durch Witwe Marie Wagenführ, arbeitete das Werk verstärkt künstlerisch und kreativ. Schon zur Weltausstellung im selben Jahr in Paris war das Eisenwerk aus Tangerhütte mit einem Pavillon am Start und vertrat damit das Deutsche Reich. Der Pavillon steht seither im Schlosspark von Tangerhütte, den die Familie Wagenführ anlegen ließ. Er gehört zu den herausragenden Werken der Kunstgussarchitektur. Die Gussformen für die Gießerei wurden aus Holz gefertigt. Die Eisenwerke gelangten zu Weltruhm. Gefertigt wurden zum Beispiel Teile für landwirtschaftliche Maschinen. 1899 expandierte von Arnim nach Großauheim, wo 1900 die Eisengießerei Marienhütte in Betrieb ging. Nach dem Zweiten Weltkrieg schleppten die Sowjets auch aus dem Eisenwerk Reparationsleistungen heraus. In der DDR war der Betrieb volkseigen und hieß VEB Eisenwerke 1. Mai Tangerhütte. Gussteile aller Art waren bis zuletzt das Brot des Eisenwerkes. Hergestellt wurden unter anderem Papillons, Armaturen und Schieber. Seit 1963 erhielten Schüler im Eisenwerk eine berufliche Grundausbildung.

VEB Holzindustrie Altmark Tangerhütte (Betrieb im VEB Möbelkombinat Berlin, zuvor Krupp-Grusonwerk-Schießplatz, Abriss der Anlagen 2017)

Holzindustrie in Tangerhuette, Foto: Martin Schramme, 2014 Foto: Martin Schramme, 2014 Foto: Martin Schramme, 2014 Foto: Martin Schramme, 2014 Foto: Martin Schramme, 2014 Empfangs- und Verwaltungsgebäude des ehemaligen Schießplatzes
Foto: Martin Schramme, 2014 Bunker des ehemaligen Schießplatzes
Foto: Martin Schramme, 2014 Foto: Martin Schramme, 2014 Foto: Martin Schramme, 2014 Foto: Martin Schramme, 2014 Foto: Martin Schramme, 2014 Foto: Martin Schramme, 2014 Foto: Martin Schramme, 2014

Bevor die Holzindustrie das Gelände nutzte, errichtete die Firma Gruson AG aus Magdeburg 1888 einen Schießplatz. Auf einer zehn Kilometer langen Schießbahn quer durch den Wald wurden Panzergeschosse und -platten getestet. Damals hieß der Ort noch Vaethen. Ab 1893 gehörte das Testgelände der Firma Krupp in Essen (Krupp-Grusonwerk-Schiessplatz). Bis zum Ende des Ersten Weltkrieges (1914-1918) erstreckte sich die militärische Nutzung. 1918 entstand ein Landmaschinenbetrieb. Der fertigte auch Gartenmöbel. Zur Versorgung der eigenen Produktion wurden schließlich eine Holztrocknungsanlage und ein Sägewerk errichtet. Nach 1933 war das Militär wieder ein wichtiger Auftraggeber. Waffen- und Munitionskisten sowie Kasernenmobiliar machten einen wesentlichen Teil der Fertigung aus. Nach dem Zweiten Weltkrieg (1939-1945) schwenkte der Betrieb auf die zivile Nutzung um. Jetzt gehörten Bauelemente und Möbel zum Programm. Ab 1950 konzentrierte sich der Betrieb auf Holzmöbel, -fenster und -türen. Um 1970 besaß der VEB Holzindustrie Altmark unter anderem ein modernes Sägewerk und stellte jährlich 220.000 Matratzenböden her. Mit dem Niedergang der DDR wurde der Betrieb wieder privatisiert und hieß 1990 zunächst Altmark Holz GmbH. 1991 erfolgte die Umfirmierung zur Fenster- und Fassadentechnik GmbH. 1998 entstand daraus die Mahrenholz Altmark GmbH, die nur noch einige Hallen auf einem Bruchteil des Objektes nutzt. Der Großteil des Geländes war 2014 bereits seit Jahren aufgegeben, stand leer und verfiel. Wiederholt brannte es in dem Objekt. Am 12. August 2013 ging eine wertvolle alte Villa in Flammen auf. Im Frühjahr 2017 kamen die Abrissbagger und planierten das Gelände. 2023 befanden sich auf der Brache Solaranlagen.

Die Gruson AG: Der Ingenieur, Erfinder und Industrielle Hermann Gruson (1821-1895) gründete 1855 in Magdeburg-Buckau eine Maschinenfabrik und Schiffsbauwerkstatt. Zuvor hatte er bei Borsig gelernt und bei der Berlin-Hamburger Eisenbahn, der Maschinenfabrik Friedrich Wöhlert in Berlin und bei der Vereinigten Hamburg-Magdeburger Dampfschiffahrtsgesellschaft. Gruson entwickelte und verwendete ein spezielles Hartgußverfahren, was ihm das Vertrauen nicht zuletzt vieler Eisenbahn- und Wagen-Hersteller einbrachte. Seit 1860 übernahm Gruson auch Rüstungsaufträge. So kamen aus Buckau Deutschlands ersten Panzertürme für Befestigungsanlagen. Mit Panzertechnik aus Magdeburg wurde unter anderem auch der italienische Kriegshafen La Spezia bestückt, der in dem bekannten deutschen Kriegsfilm "Das Boot" als einer der Zielhäfen von U 96 genannt wird. 1886 wurde das Grunsonwerk zur Aktiengesellschaft (Grusonwerk AG Buckau). Zwei Jahre später erfolgte das Engagement in Tangerhütte (siehe Textanfang).

interessante Fotoseite über den alte Grusonstandort

Lebensmittel Feinkost

Lebensmittel Feinkost, Foto: Martin Schramme, 2014 Lebensmittel Feinkost, Foto: Martin Schramme, 2014

Wenn es um den VEB Feinkost, den DDR-Versorger mit feiner Kost, geht, dominieren Berichte über die so genannte Löffelfamilie, eine Leuchtreklame des VEB Feinkost Leipzig. Unter Feinkost verstand die DDR die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln für den gehobenen Bedarf. Die Kette bestand seit 1978 unter dem Dach der 1967 gegründeten Delikat-Kette. So konnten Mangel und Einerlei in der täglichen Versorgung etwas aufgehübscht und der wachsende Kaufkraftüberschuss abgebaut werden. Delikat und Feinkost gehörten zu der 1962 gegründeten DDR-Einzelhandelskette Intershop.

altes Schloss, errichtet 1873/74 | Lungen- und Kinderheilstätte | Poliklinik

Poliklinik Kinderheilkunde Lungenheilstaette, Foto: Martin Schramme, 2014 Foto: Martin Schramme, 2014 Foto: Martin Schramme, 2014 Foto: Martin Schramme, 2014 Foto: Martin Schramme, 2014 Foto: Martin Schramme, 2014

1873/74 für den Unternehmer Johann Jacob Wagenführ als Schloss unweit des Eisenwerks samt Park errichtet diente dieses Gebäude späer als Lazarett, Erholungsheim und in der DDR seit den 60er Jahren als Kinder- und Lungenheilstätte, zuletzt als Poliklinik, also eine gesundheitliche Versorgungseinrichtung mit verschiedenen Ärzten unter einem Dach. Im Herbst 2014 stand das alte Schloss (alte Villa) schon lange leer.

Transformatorenstation in Turmform

Stromturm, Foto: Martin Schramme, 2014

Diese turmartige Transformatorenstation befindet sich in der Bismarckstraße unweit des Bahnhofs. Wer weiß mehr über diesen Turm? Bitte hier melden!

Betriebe in der DDR (1949-1990):
Agrochemisches Zentrum Tangerhütte (ACZ)
VEB Dienstleistungskombinat Tangerhütte
VEB Eisenwerk "1. Mai" Tangerhütte
VEB Gebäudewirtschaft Tangerhütte
Getreidewirtschaft Stendal BT Tangerhütte (VEB Kombinat Getreidewirtschaft Magdeburg)
VEB Hoch- und Tiefbau Tangerhütte
VEB Holzindustrie Altmark Tangerhütte (VEB Möbelkombinat Berlin)
VEB Kinderbekleidung Tangerhütte (VEB Kombinat Oberbekleidung Erfurt)
VEB Polstermöbel Tangerhütte
Chemische Fabrik Carl Reinhardt Tangerhütte (Spitzenerzeugnisse für die Tierzucht: Steh-auf und Adevit)
Felix Holzmüller Roßhaar, Borsten, Zurichterei, Tangerhütte, Mahlpfuhler Chaussee 71
Spar- und Darlehenskasse Tangerhütte eGmbH
Willy Lindekugel Lederwaren und Polstermöbel

Wirtschaft in Tangerhütte vor 1945:
Albert König Photographisches Atelier Vaethen-Tangerhütte
Eisenhütten- und Emaillierwerk AG
Gruson AG
Eisenhütten- & Emaillirwerk Tangerhütte Franz Wagenführ in Tangerhütte (gegr. 1842, courante, rohe und emaillirte Handelswaaren aller Art; Röhren, Apparate für Gas-Einrichtungen, Candelaber, Laternenarme, Laternen, Prellpfähle, Radabweiser, Wegweiser, Meilenzeiger, Pilaren, Warnungstafeln, Drosselklappen, Durchgangsventile, Schieber, Wasserleitungen, Pumpen, Fontainen-Aufsätze, Wasserausfluss-Ständer, Wasserdruck-Ständer, Sanitäts-Utensilien, Gitter und Thorwege, Säulen, Wendeltreppen, Flötz-Treppen, Treppentraillen, Pavillons, Veranden, Gartenmeubles, Fenster in 700 Modellen, Eisen-Constructionen, Grabmonumente, Gedenk- und Votiv-Tafeln, Knochen-Glühöfen, Knochentöpfe, Lehmguss, Roststäbe und Thüren aller Art, Armaturen für Hoffmannsche Ringöfen, Belagplatten, Kühlschiffe und Quetschwalzen für Brennereien und Brauereien, Landwirthschaftliche Geräthe; Mechanische Werkstatt zur Bearbeitung von Gusswaaren)

Quellen
picclick.de

Begriffslegende
Candelaber = Kerzenhalter (von lat. candela, die Kerze)
Hoffmannscher Ringofen = Einrichtung zum effektiven kontinuierlichen Brennen von Ziegeln, Kalk und Gips
Meubles = Möbel franz.
Pilare = Säulen in einer Reithalle
Traillen = schlankes Stabgeländer (materialsparend)
Votivtafel = kleinformatiges Kirchenbild für Gebete und Gelübde