Stolpen ist eine Kleinstadt in Sachsen im Umland der Landeshauptstadt Dresden. Für Geologen und Historiker ist Stolpen besonders interessant; für Historiker, weil August der Starke verfügte, dass seine bekannteste Mäteresse, Gräfin Cosel, dort die letzten 48 Jahre ihres 85 Jahre währenden Lebens gefangen blieb und weil der erste Schuss des Siebenjährigen Krieges 1756 in Stolpen fiel. Geologen finden ein Geotop aus überwiegend fünf- und sechseckigen, dunklen Ergussgesteins-Säulen vor, die an die Aktivität eines Vulkans erinnern, der vor 25 Millionen Jahren am Eger-Grabenbruch existierte, welcher entstanden war, weil die europäische und die afrikanische geotektonische Platte miteinander kollidierten. Lange galt das Gestein als Basalt und von dieser Annahme ausgehend entstand auch der auf dem slawischen Wort für Basalt, aber auch Säulen (stolp) fussende Name Stolpen. Neuere Untersuchung ergaben jedoch, dass es sich um Basanit handelt.
Handwerksgeselle auf der Walz
Dieses Schreiben gründlich zu untersuchen, fördert zutage, dass hier ein Handwerksgeselle aus Königsberg auf der Walz, also auf der Wanderschaft zum Sammeln beruflicher Erfahrung direkt nach der Handwerksausbildung und an vielen fremden Orten, für sechs Wochen in Stolpen weilte und dort gute Dienste leistete, so dass ihn die ortsansässige Handwerkerschaft empfahl. Es handelt sich um ein vorgefertigtes, gedrucktes Formular, wie man an den Freiflächen für handschriftliche Ergänzungen erkennt. Offenbar wurden die Vordrucke für das 18. Jahrhundert nicht aufgebraucht, denn auf das handschriftliche Jahr 1801 folgt noch eine gedruckte 17. Zur Druckzeit des Formulars gab es noch einige sprachliche Unterschiede zur heutigen Zeit, wie man an dem Wort "Pursche (statt Bursche) und Formulierungen wie "gebuehret" und "geziemend" erkennen kann.
Im Original ist zu lesen: "Wir geschworene Vor- und andere Meister des Handwerks derer Maurer ... Stolpen bescheinigen hiermit, daß gegenwärtiger Gesell, Namens Gottlieb Ferdinant Zuch von Königsberg gebuertig, so 24 Jahr alt; und von Statur Mittler auch schwartzen Haaren ist, bey uns allhier ____ . Jahr 6 Wochen in Arbeit gestanden, und sich solche Zeit ueber treu, fleißig, stille, friedsam und ehrlich, wie einem jeglichen Handwerks-Purschen gebuehret, verhalten hat; welches wir attestiren, und deshalben unsere saemmtliche Mit-Meister diesen Gesellen nach Handwerks-Gebrauch, ueberall zu foerdern, geziemend ersuchen wollen. Stolpen den 14. Jan. 1801."
Die bildliche Darstellung Stolpens verrät über jene Zeit, im Unterschied zu heute, dass die "Bergvestung" Stolpen damals 1758 noch ein komplettes, prächtiges Bauwerk war, zu dem auch der Stadt vorgelagerte Stadtmauern gehörten, vor denen sich Zelte, Schieshaus sowie Infantrie und Kavallerie des Kayserlich-Königlichen Lagers befand. Es ist die Zeit des Siebenjährigen Krieges, den Gräfin Cosel auf der Burg erlebte, nachdem sie sich gegen die ihr wegen des Krieges angebotenen Evakuierung erfolgreich gesträubt hatte.
Weltkriegsadler
Dieser Adler mit geschwollener Brust und ausgebreiteten Schwingen befindet sich unweit der Burg Stolpen und demonstriert geradezu idealtypisch die fatalen Denkmuster, die sich nach der Niederlage und der Schmach von Versailles seuchenartige ausbreiteten. Todengedenken als Racheschwur. Helden-Epen, wie sie seit Februar 2022 wieder gesungen werden, seitdem sich Russen und Ukrainer in einem barbarischen Stellvertreterkrieg dahinmetzeln. "Den Opfern des Weltkrieges 1914-1918 im dankbaren Gedenken die Stadt-Gemeinde Stolpen. Schlaft in Euren Heldenehren." Unterhalb des Monuments mit dem Adler auf einem Sarkophag befindet sich ein wesentlich bescheidenere kleine Platte für die Toten des Zweiten Weltkriegs (1939-1945). 17 Millionen Tote zählte man im Ersten Weltkrieg bei allen beteiligten Nationen, 75 Millionen summierten sich im Zweiten Weltkrieg auf. 27 Nationen waren am Zweiten Weltkrieg beteiligt, 36 waren es im ersten.
Gasthaus Amtsbaderei
Zu den älteren Gastwirtschaften in Stolpen gehört das Gasthaus Amtsbaderei an der altstädtischen Badergasse. Ein Foto aus der Zeit um 1900 zeigt, dass es im Bierausschank des Hauses Radeberger Pilsner gab. Was zu Essen brachten sich die Gäste selber mit. Quasi im selben Haus bot die Fleischerei Weber auch etwas Stärkung an, darunter leckere Knacker.
Im Adressbuch von 1912 warb Willy Weber, Besitzer des Restaurants Amtsbaderei, für sein Fleisch- und Wurstwaren-Geschäft mit elektrischem Betrieb, Fabrikation feiner Fleisch- und Wurstwaren, Eiskeller für Speisen und Getränke, ein geräumiges Vereinszimmer und einen schattigen Garten.
Geschäfte in der Altstadt von Stolpen
Zu den diversen historischen Objekten im Wirtschafts- und Gesellschaftsleben der Stadt Stolpen gehören auch der Gasthof Zur alten Post und das Gasthaus Zur Garküche.
Postsäule am Marktplatz
Von 1732 bis Mitte des 19. Jahrhunderts stand eine Postsäule am Marktplatz von Stolpen. Seit 1996 befindet sich dort eine originalgetreue Nachbildung. Die heutige Postsäule in Stolpen ist also kein Artefakt, sondern die Kopie eines Artefakts. Auf den vier Seiten der Säule sind Entfernungsangaben zu verschiedenen Orte zu finden, aber nicht in Kilometer, sondern in der Zahl der Stunden, die eine Postkutsche für den Weg braucht. Bis zum nahen Dresden waren es demnach 6 Stunden, bis zum fernen Carlsbad mehr als 36 Stunden.
Gasthaus Zur Linde
Das Gasthaus Zur Linde fällt durch seine Symbolik auf, denn neben dem Schriftzug befindet sich ein Kelch in einem Davidstern, auch bekannt als Siegel Salomons oder Hexagramm, in jedem Fall aber als zentrale jüdische Symbolik. Auf alten Postkarten ist das Symbol nicht zu finden, wohl aber eine Gasthaus mit dem selben Namen und am selben Ort.
Festung Stolpen
Aus der Zeit um 1100 stammt die erste Erwähnung der Burg auf dem alten Vulkankegel. Erst beanspruchten Bischöfe aus Meißen, hier zu wohnen, dann erzwangen Vertreter des Fürstengeschlechts der Wettiner das Wohnrecht. Die Burg erlebte immer neue Um- und Ausbauten, Brände und Zerstörungen. Als spektakulärste Ausbauten können der 84 Meter tiefe Burgbrunnen und die Wasserkunst von Martin Planer, von der nur einige Holzwasserrohre übergeblieben sind, angesehen werden. 1675 erfolgte er Ausbau zur Vestung; ja Festung schrieb man damals mit "V". 1763 ward die Garnision aufgelöst und die Burg dem Verfall preisgegeben. Schon im Jahr 1773 führte Einsturzgefahr zu Teilabrissen. Im 19. Jahrhundert machten Altertumsvereine die Burg als kulturelles Erbe aus und bemühten sich um ihren Erhalt. 1875 trugen die Bemühungen Früchte, denn die Burg war fortan ein Museum. Überregional berühmt ist die Burg, weil die Gräfin Cosel, die prominenteste Mätresse August des Starke, in der Feste mehr als die Hälfte ihres Lebens strafweise in den Vulkanstein-Gemäuern verbrachte.
Stadtkirche Stolpen
Die Geschichte der Stadtkirche von Stolpen führt bis zurück ins späte Mittelalter. Der heutige Kirchbau im barocken Stil jedoch ist viel später, konkret nach dem Stadtbrand von 1723 entstanden. Besonders beeindrucken der Sandsteinaltar aus dem Jahr 1770 mit dem Relief des Abendmahls, das Deckengemälde mit einem Kreuz als zentrales Element und ein historische Beichtstuhl, der wiederholte Zerstörungen in einem Lager überstand und so später wieder aufgebaut werden konnte.
Feuerwehr Stolpen
Zur Geschichte der Stadt Stolpen gehören einige verheerende Brände, die über die Jahrhunderte wieder und wieder großen Schaden, mitunter sogar Totalschaden, anrichteten. Mal waren kriegerische Handlungen, mal Achtlosigkeit beim Umgang mit offenem Feuer oder ein Blitztreffer die Ursache.
Weitere Artefakte aus der Geschichte von Stolpen
Bild 1: Kurtze Geographische Fragen welche die meisten Länder & Städte und Wappen in Europa in sich faßen aufgesetzt von Carl Gottfried Nestler Anno 1778.
Bild 2: "Historie der Stadt und Bergvestung Stolpen im Marggrafthume Meissen" von M. Carl Christian Gercken.
Bild 3: Pressen zum Ausquetschen verschiedener Früchte.
Bild 4: "Der christliche Glaube, wie ein Hausvater denselbigen seinem Gesinde aufs einfältigste vorhalten soll. Der erste Artikel. Von der Schöpfung. Ich glaube an Gott den Vater, allmächtigen Schöpfer Himmels und der Erde. Was ist das? Antwort: Ich glaube, daß mich Gott geschaffen hat, sammt allen Kreaturen, mir Leib und Seele, Augen, Ohren, und alle Glieder, Vernunft und alle Sinne gegeben hat, und noch erhält, dazu Kleider und Schuh, Essen und Trinken, Haus und Hof, Weib ..."
Die Stadt am alten Vulkan
Vor 25 Millionen Jahren befand sich dort, wo heute Stolpen ist, ein Vulkan. Er förderte flüssiges Gestein aus der Erde zutage, das schnell erkaltete, so dass die markanten Steinsäulen entstanden, die heute als Geotop geschützt sind und die neugierigen Blicke vieler Touristen auf sich ziehen.
Betriebe in der DDR
VEB Knopf- und Metallwarenfabrik Stolpen
VEB Kombinat Ascobloc Dresden, Betriebsteil Stolpen: Kochanlagen
VEB Ofen- und Herdfabrik Stolpen (verstaatlichtes Unternehmen Ernst Uhlemann, später VEB Kochanlagenbau Stolpen/Sachsen)
Wirtschaft und Leben in Stolpen vor 1945
Brauerei Stolpen (gegr. 1790, eigene Mälzerei, hochfeine Biere: hell, dunkel, böhmisch in Flaschen und Gebinden, Spezialität: Stolpner Bockbier)
Buchdruckerei Ludwig Schulze
C. A. Klinger Dreschmaschinenfabrik (1854 gegr., 1896 Erfindung der ersten Ballenpresse der Welt; Herstellung von Dreschmaschinen in allen Größen, Strohpressen, Heu- und Strohgebläsen; Dampf-Dreschmaschinen "Wettin"; Export in alle Welt)
Curt Prager Bau- und Möbeltischlerei mit Dampfbetrieb, Stolpen (Sarg-Magazin, Möbel-Lager)
Edwin Schütze Branntwein- und Likörfabrik
Emil Rumberger Polstermöbel und Patentmatratzen
Ernst Uhlemann Stolpen, Herde, Öfen, Kachelherdgarnituren (gegr. 1903, Markenname "ERUS")
E. Seltmann Eisenkurz- und Werkzeug-Handlung, Galanterie- und Glaswaren
Fritz Schwarz Nachf. Fabrik künstlicher Blumen, Stolpen in Sachsen
Helene Mellentin Buch- und Papierhandlung
H. Grünberg & Sohn Colonialwarenhandlung, Conserven, Cigarren, Brennstoffe, Kalk, Salze, Oele (gegr. 1868)
Julius E. Gottlöber Instrumenten- und Saitenhandlung, Piano-Magazin
Julius Strehle Fleischerei mit elektrischem Betrieb (hochfeine Fleisch- und Wurstwaren, eigene Eiskellerei)
Knopf- und Metallwarenfabrik Stolpen (gegr. 1855)
Kunststeinfabrik GmbH Altstadt-Stolpen
Oswald Knoll Bäckerei, Konditorei und Kaffeeschank (Spezialität: Karlsbader Zwieback, Natron- und Hefe-Bäben)
Paul Hoffmann Bau- und Maschinenschlosserei Stolpen in Sachsen (Ausführung von Blitzableiter- und Wasseranlagen, Viehselbstträken, Lieferung von landwirthschaftlichen Maschinen wie Gras- und Getreide-Mähmaschinen, Centrifugen, Kartoffelausheber, Futterdämpfer, Fahrräder)
Paul Rüthrich Herrenschneider (Anfertigung eleganter Herrengarderobe nach Mass)
Photographisches Atelier und Vergrösserungs-Anstalt Emil Gelbhaar Stolpen
Richard Hübschmann Spezialgeschäft für Cacao, Schokoladen, Tee, Kaffee, Desserts, Pralines, Waffeln, Teegebäck, Bonbons, Karamellen, Bonbonieren und Attrappen
Richard Kremmler Damenkleiderstoffe
Städtisches Elektrizitätswerk Stolpen (Kronleuchter, Ampeln, Lampen, Kleinmotoren, Zimmerventilatoren, Bügeleisen, elektrische Herde und Kochapparate, Wärmeapparate, Haartrockner, Brennscheren, Zigarrenanzünder)
Stolpner Tageblatt (Druck und Verlag von Ludwig Schulze)
Wilhelm Wiegand Fahrrad- und Nähmaschinen-Handlung, Bau- und Maschinenschlosserei, Automobil-Reparaturwerkstatt, Ersatzteillager insbesondere für Phänomobile
Eintrag im Brockhaus-Lexikon von 1895
An der Wesenitz, in 323 m Höhe, an der Nebenlinie Neustadt-Dürrröhrsdorf-Pirna der Sächsischen Staatsbahnen, Post, Telegraph, Denkmal aus Basaltsäulen zur Erinnerung an das Regierungsjubiläum Friedrich August des Gerechten und an die 800jährige Jubelfeier des Hauses Wettin. Fabrikation von Messerwaren und landwirtschaftlichen Maschinen. Das Schloß war das Gefängnis der Gräfin Cosel.
Begriffslegende
Bäbe = Napfkuchen
Phänomobil = motorisierter Dreiradwagen aus der Erfinderwerkstatt der Phänomen-Werke Gustav Hiller in Zittau
Quellen
digital.slub-dresden.de
landtechnik-historisch.de
picclick.de
schloesserland-sachsen.de