Stadtilm (Thüringen)

Artefakte - Denkmale deutscher Geschichte
Fotos: Martin Schramme | Keine Verwendung der Bilder ohne Nachfrage!
letzte Änderung: 16.11.2022

Am bekanntesten ist Stadtilm durch die Gelenkwellen-Produktion, die 1942 von der Rheinmetall-Borsig AG dort begonnen wurde, ab 1948 zum Industrieverband Fahrzeugbau der DDR (IFA) gehörte und seit 1993 als Gewes GmbH tätig ist. Stadtilm ist auch bekannt als Ort der Modelleisenbahn-Produktion. Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte Carl Liebmann damit begonnen, seine bereits 1938 entwickelten Pläne für eine Spielzeugeisenbahn der Spur 0 umzusetzen. 1942 hatte er die Firma Carl Liebmann Metallwerke gegründet und Produkte für die deutsche Flugzeugindustrie hergestellt. 1951 wurde daraus der VEB Metallwarenfabrik Stadtilm, wo die Spur 0 nur noch bis 1955 hergestellt und dann an die Firma Zeuke & Wegwerth verkauft wurde. Von 1956 bis 1964 stand die Spur S auf dem Plan. Der Freundeskreis Stadtilmer Bahnen e.V. pflegt das historische Erbe.

Metallwerke an der Maxim-Gorki-Straße

Metallwerke, Foto: Martin Schramme, 2014 Metallwerke in Stadtilm, Foto: Martin Schramme, 2014 Metallwerke in Stadtilm, Foto: Martin Schramme, 2014 Jugend vereinige Dich! Vorwärts für einen dauerhaften Frieden! Weltbund der demokratischen Jugend

"Jugend vereinige Dich! Vorwärts für einen dauerhaften Frieden! Weltbund der demokratischen Jugend" - dieser Spruch aus DDR-Zeiten (1949-1990) stand noch im Jahre 2014 an dieser Fabrik. Bei diesem Objekt handelt es sich offenbar um die Carl Liebmann Metallwerke bzw. den späteren VEB Metallwarenfabrik Stadtilm. Die Firma Liebmann entstand 1942 zu Kriegszwecken. Das Deutsche Reich befand sich mitten im Zweiten Weltkrieg (1939-1945) und der Gründer Carl Liebmann betrieb seine Metallwerke als Rüstungsfabrik, welche die deutsche Flugzeugindustrie belieferte. Teile dieser Industrie in Thüringen befanden sich unter anderem im Walpersberg bei Großeutersdorf unweit von Kahla. Nach Kriegsende setzte Liebmann die Flugzeugteileproduktion für die Sowjetunion fort, bis die Sowjets 1948 die th&uul;ringische Flugzeugindustrie demontierten. Liebmann stellte seine Produktion daraufhin auf Vorschlag der Belegschaft auf Spielzeugeisenbahnen der Spurweite 0 um. Bereits 1949 stellte die Stadtilmer Tüftler ihre Modell auf der Messe in Leipzig aus. 1952 dann floh Liebmann samt Familie in die BRD, der Betrieb wurde verstaatlicht. Der VEB Metallwarenfabrik Stadtilm setzte die Spielzeugeisenbahn-Produktion fort. Die Friedensware war DDR-weit bekannt und beliebt und wird noch heute fleißig getauscht und gehandelt. 1964 endete diese Produktionslinie. Die Metallwarenfabrik wurde in den VEB Gelenkwellenwerk Stadtilm eingegliedert, der wiederum zum Industrieverband Fahrzeugbau (IFA) gehörte.

Wer weiß noch mehr über das Gebäude und die Firmengeschichte? Bitte nutzen Sie das Formular hier!

VEB Sportschuhfabrik Ilmia Stadtilm (vormals Paul Hoffmann & Co. KG)

Ilmia Sportschuhfabrik, Foto: Martin Schramme Ilmia Sportschuhfabrik, Foto: Martin Schramme

Paul Hoffmann & Co. KG produzierte einst Schuhe in Stadtilm, insbesondere Turn- und Fußballschuhe, aber auch beheizbare Fliegerstiefel für die Deutsche Luftwaffe. Die Gründungsgeschichte des Unternehmens ging bis auf das Jahr 1898 zurück, die des Vorläufers sogar bis 1819. Anfangs konzentrierte man sich auf die Lederherstellung, dann etablierte sich Hoffmann mit Schuhwerk. 1920 kamen Reitstiefel ins Sortiment. Auch erste Sportschuhe wurden produziert. Sportschuhe entwickelten sich in den 1930er Jahren zum Kerngeschäft der Stadtilmer. 1940 fokussierte man sich weiter und konzentrierte sich auf Fußballschuhe und Laufschuhe. In der DDR blieb der Betrieb lange in Privathand, doch 1972 kam es auch in diesem Fall zur Verstaatlichung. Nun hieß der Betrieb VEB Sportschuhfabrik Ilmia Stadtilm und gehörte zuletzt zum Sportartikel-Kombinat Germina. Mit dem Ende der DDR 1989/90 kam das Aus. 1991 kam es zur Neugr&uumml;ndung. Die GmbH (siehe Foto) bestand bis 1998. Im Jahre 2001 erlosch die von Hoffmann und Co. einst etablierte Marke ilmia. 2003 wurde die Marke in Berlin wiederbelebt. 2008 ging sie an ein Schweizer Unternehmen über, das als ilmia AG (LTD) in Solothurn (Schweiz) firmiert.

Henneberg Porzellan (seit 1777)

Henneberg Porzellan, Foto: Martin Schramme Henneberg Porzellan, Foto: Martin Schramme Henneberg Porzellan, Foto: Martin Schramme Porzellan der Firma Henneberg, Foto: Martin Schramme, 2018 Porzellan der Firma Henneberg, Foto: Martin Schramme, 2018

Graf von Henneberg Porzellan Ilmenau seit 1777: Der Porzellanhersteller war einer der ältesten in Thüringen und fabrizierte vornehmlich Haushaltsporzellan. Der Name das Unternehmens ist von dem der Grafschaft Henneberg abgeleitet, zu der Ilmenau einst gehörte. 1973 wurde Henneberg mit anderen Porzellanmanufakturen wie Galluba & Hoffmann und Metzler & Orloff zum Neuen Porzellanwerk Ilmenau (NPI) in Eichicht zusammengelegt. In den letzten Jahren der DDR (1949-1990) zählte der Betrieb mehr als 3000 Beschäftigte. 1990 kam das jähe Ende. Es kam zu Massenentlassungen. Die Produktion lief noch bis zum Jahr 2002. Bald darauf ging es nach einer Umfirmierung mit 50 Mitarbeitern unter dem Namen Hero-Design weiter.

Link zur Unternehmensseite

Betriebe in der DDR (1949-1990)
VEB Domal Stadtilm (Haushaltpflegemittel wie die Fensterputzmittel Klarofix und Illux, Betrieb im VEB Chemiekombinat Bitterfeld)
VEB Favorit Sportschuhe Stadtilm
VEB Feinleder Stadtilm
VEB Gelatinewerk Stadtilm
VEB Gelenkwellenwerk Stadtilm (VEB IFA-Kombinat Nutzfahrzeuge Ludwigsfelde)
VEB Kleinstanzteile Stadtilm
VEB Lederfabrik Stadtilm (VEB Kombinat Kunstleder und Pelzverarbeitung, VEB Kombinat Schuhe Weißenfels)
VEB Metallwarenfabrik Stadtilm Thüringen (produzierte unter anderem Spielzeugeisenbahnen)
VEB Porzellanveredlung Stadtilm
VEB Saline Stadtilm
VEB Spirituosenfabrik Stadtilm
VEB Sportschuhfabrik Ilmia Stadtilm (VEB Kombinat Sportgeräte bis 1986, 1987-1990 VEB Kombinat Schuhe Weißenfels)
VEB Stadtilmer Wurstfabrik
VEB Tourist Wanderschuhe Stadtilm
VEB Weinkellerei Stadtilm (VEB Vereinigte Thüringer Weinkellereien)
VEB Wohnraumleuchten Stadtilm (VEB Kombinat Elektrogeräte Apolda)
Arno Kaufmann KG (Busunternehmen)
F. C. Ebert KG (Kinderschuhe, Arbeitsschutzschuhe)
Paul Hoffmann & Co. Lederwerk und Schuhfabrik (gegr. 1898, KG seit 1920, Arbeitsschutzschuhe, Sportschuhe)
Peter Hüppauff Stadtilm (Kosmetik, Pharmazeutik, Haushaltchemie)
Seeger & Co. KG (Leuchten)
Stadtilmer Porzellanfabrik KG
Zwischenbetriebliche Einrichtung (ZBE) "Erfurter Blumen"

Wirtschaft und Leben in Stadtilm vor 1945
A. Th. Meißner Aktiengesellschaft, Stadtilm (gegr. 1858, seit 1922 Aktiengesellschaft)
Augsut Höhne Photographische Anstalt
Bartholomäus & Co., Tuchfabrik
Carl Liebmann Metallwerk Stadtilm (gegr. 1942, Rüstungsbetrieb der deutschen Flugzeugindustrie)
Faßfabrik Stäger
Friedrich Morgenroth, Mühle (seit 1732 in Familienbesitz, Senf- und Getreidemühle)
Gelatinewerke Meissner & Co. KG Stadtilm (Spezialitäten: Speise-Gelatine, Emulsions-Gelatine, Lichtdruck-Gelatine, Gelatine-Pulver)
K. Weichholdt & Co. Schuhfabrik Stadtilm (Spezialität: Arbeiterschuhwerk)
Lederfabrik A. Th. Meißner (Roßgerberei)
Öhmsche Lederfabrik
Paul Hoffmann & Co. KG, Schuhfabrik (1972 enteignet und umgewandelt zum VEB Sportschuhfabrik Ilmia Stadtilm)
Peter Hüppauff Stadtilm (Kosmetik, Pharmazeutik, Haushaltschemie)
R. F. Rundnagel Fabrikation von Haus- und Küchengeräthen, Bauklempnerei
Sägewerk Ernst Röhr

Eintrag im Brockhaus-Lexikon von 1894
An der Ilm und der Nebenlinie Arnstadt-Saalfeld der Preußischen Staatsbahnen. Postamt zweiter Klasse, Telegraph. Gerberei, Schuh- und Tuchfabrikation und Landwirtschaft.

Kleine Stadtchronik
1891 begann der Bau der Eisenbahn samt Viadukt. Drei Jahre später konnte die Strecke Arnstadt-Stadtilm übergeben werden. Ende 1895 war auch die Fortsetzung der Strecke nach Saalfeld vollbracht. Die Stadtilmer Porzellanfabrik nahm 1896 ihren Betrieb auf und arbeitete bis 1917. 1905 lief die Produktion der Oberilmer Saline an und der Bahnhof bekam elektrisches Licht. 1907 war der Bau der Kanalisation abgeschlossen. 1910/11 bekam der ganze Ort elektrisches Licht. Am 10.03.1924 bot ein Ingenieur aus Arnstadt den Stadtilmern die erste Rundfunksendung. Es war ein Experiment im Hotel "Zur Post". 1931 wurde im Hotel "Zur Post" der erste Tonfilm gezeigt, 1938 der erste vollständige Farbfilm. Im August 1940 erlebte Stadtilm den ersten Fliegerangriff. Am 7. und 8. April 1945 terrorisierten Tiefflieger die Stadt. Am 10. April 1945 versuchte die Wehrmacht, den Viadukt zu sprengen. Das Vorhaben scheiterte. Am 4. Juli 1945 übernahmen die Russen die Stadt von US-Amerikanern und Franzosen, die zuvor wertvolle Maschinen demontiert hatten. 1953 ging die erste Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft (LPG) an den Start. Nach der Enteignung und Zwangskollektivierung war die LPG als Betriebsmodell auf dem Vormarsch. 1954 gab es in Stadtilm die ersten Fernsehapparate vom Typ "Rembrandt", das erste kommerzielle Fernsehgerät der DDR. 1958 wurden die Lebensmittelkarten abgeschafft, die mit dem Kriegsbeginn 1939 eingeführt worden waren. 1980 kamen die ersten Vertragsarbeiter aus Vietnam nach Stadtilm, um im VEB Gelenkwellenwerk zu lernen und zu arbeiten.

Quellen
albert-gieseler.de
geschichte.stadtilm.com
ilmia.com
konbriefing.com
picclick.de