DDR-Marken Lizenz-Streit

Artefakte - Denkmale deutscher Geschichte
Fotos: Martin Schramme | Keine Verwendung der Fotos ohne Nachfrage!
letzte Änderung: 21.10.2022

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs kam es zur Teilung des Deutschen Reiches, weil sich die Siegermächte auf keine gemeinsame Linie einigen konnten. In der Folge entstanden 1949 zwei deutsche Staaten. Im Ergebnis standen sich für 40 Jahre zwei antagonistische Wirtschaftssysteme gegenüber: ein sozialistisches im Osten und ein kapitalistisches im Westen. Nicht selten ging der Streit der beiden Staaten auch um Markenrechte. Meistens zog die DDR gegen die BRD den Kürzeren.

Agfa und ORWO 🎬

1897 war die Geburtsstunde des Warenzeichens Agfa. Der Hersteller chemischer Präparate für photographische Zwecke war 1867 in Rummelsburg (liegt heute mitten in Berlin) gestartet. 1873 war die Actien-Gesellschaft für Anilin-Fabrication (kurz: Agfa) entstanden. 1909 gründete die Agfa die Filmfabrik in Wolfen, die 1929 zum Leitbetrieb der Agfa-Filmproduktion wurde. Die Agfa entwickelte sich zum Pionier der Farbfilm-Industrie. In den Jahren 1932 bis 1942 machte das Unternehmen einige bahnbrechende Erfindungen auf diesem Gebiet. 1936 präsentierten die Deutschen den ersten Mehrschichtfarbfilm der Welt. Experimente mit Farbfilmen waren indes schon andernorts seit der Jahrhundertwende gemacht worden. Dabei wurde Agfa massiv durch Kodak aus den USA attackiert, wo mehr oder weniger zeitgleich ein anderes, umständlicheres Farbfilmverfahren entstanden war. 1945 geriet die Filmfabrik in die Hand der sowjetischen Truppen. Die neuen Herren verwandelten den Betrieb in eine Sowjetische Aktiengesellschaft (SAG). Die Sowjetunion nahm große Teile der Fabrik als Reparationsleistung mit. 1953 kehrte der Name Agfa in die zwischenzeitlich gegründete Deutsche Demokratische Republik (DDR) zurück. Der Ausbau der Filmsparte folgte. Doch der wachsende Erfolg des ostdeutschen Unternehmens trübte sich ein, weil die Konkurrenz in der Bundesrepublik Deutschland (BRD) die Namens- und Patentrechte anfocht. 1956 konnten sich beiden Staaten noch darauf einigen, sich das Warenzeichen samt der Vertriebsgebiete in Ost und West zu teilen. Nach der juristischen Niederlage erfand die DDR 1964 einen neuen Namen: ORWO (Original Wolfen).

Perlon und DEDERON 🧦

Strumpfhosen aus Nylon sind weltbekannt. Der Name Nylon kommt aus den USA. In der Bundesrepublik blieb es beim Perlon, das 1938 vom Deutschen Paul Schlack erfunden worden und dem amerikanischen Konkurrenzprodukt gegenüber überlegen war. Damit waren zwei populäre Begriffe besetzt. Nach der Demontage der Perlon-Kapazitäten in Sachsen durch die Russen und einem verlorenen Rechtsstreit mit der BRD entwickelte die DDR 1952 ihre eigene Marke: DEDERON (aus DDR und on).

Osram und NARVA 💡

1945 fiel das Glühlampenwerk Osram in Berlin an die Ostzone (später DDR). Zuerst gab es Probleme mit England, wo der Name Osram nicht mehr verwendet werden durfte. Konflikte ergaben sich auch aus der Tatsache, dass Osram nach der Enteignung seinen Firmensitz nach München verlegte. 1963 präsentierte der DDR einen neuen Namen, NARVA, und ging damit allen weiteren Problemen aus dem Weg. Der neue Markenname NARVA setzte sich aus den Kürzeln für die Medien in den Glühlampen zusammen: Stickstoff (N), Argon (Ar) und Vakuum (Va).

Deutsche Lufthansa und Interflug ✈

1926 hatte die deutsche Luftfahrtgesellschaft Lufthansa, bereits als Aktiengesellschaft, ihren Betrieb aufgenommen. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges war sie 1945 quasi verboten und 1951 endgültig liquidiert worden. 1955 kam es zur Neugründung der Deutsche Lufthansa West, die bis 1962 quasi staatlich blieb. Obwohl die Deutsche Lufthansa Ost bereits seit 1954 bestand, setzte sich der Westen markenrechtlich durch. Die DDR ließ es auch aus ökonomischen Gründen nicht weiter darauf ankommen, gab den Name 1963 auf und überführte den staatlichen Flugbetrieb in die eigene, bereits 1958 vorsorglich neu gegründete Marke "Interflug".

Deutsche Reichsbahn 🚆

Im Falle der Deutschen Reichsbahn gab es keine Streitigkeiten. Im Osten Deutschlands behielt man den Namen bei, im Westen kam nach der Gründung der BRD 1949 die Umbenennung in Deutsche Bundesbahn.

Persil 🌈

Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelte Henkel & Cie. mit Sitz in Düsseldorf die Waschmittelmarke Persil (Zusammensetzung aus Perborat und Silikat). Ab 1923 wurde Persil auch Waschmittelwerk Genthin hergestellt, das zwei Jahre zuvor gegründet worden war. 1945 enteigneten die Sowjets das Werk. Die 1949 gegründete DDR behielt die Markenrechten für Persil im Osten. Hier kam es mal nicht zum Streit mit Westdeutschland. Doch die DDR selbst gab die Markenpflege schrittweise auf. Erste wurde aus dem VEB Persil-Werk Genthin das VEB Waschmittelwerk Genthin, dann übernahm die neue DDR-Marke Spee den Spitzenplatz beim Waschmittelabsatz und Persil geriet langsam in Vergessenheit.

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