Wittstock/Dosse (Brandenburg)

Artefakte - Denkmale deutscher Geschichte
Fotos: Martin Schramme | Keine Verwendung der Bilder ohne Nachfrage!
letzte Änderung: 12.02.2024

Wittstock an der Dosse gab noch im Sommer 2020 einen guten Eindruck davon, wie es in Deutschland während der Kaiserzeit aussah. Die Stadtmauer und mit ihr viele historische Bauwerke waren erhalten. Dank der Landesgartenschau von 2019 wirkte die Stadt geradezu herausgeputzt. Geschichte sind indes sowohl das Tuchmacherhandwerk, als auch Wittstocks Geschichte als Eisenbahnknoten. Von den Tuchmachern sind zwei große Fabriken erhalten, von der Eisenbahn ein verwaister Bahnhof. 1895 hielt die erste Eisenbahn in Wittstock, nachdem der Bau der Strecke von Perleberg über Pritzwalk unter Leitung der Prignitzer Eisenbahn-Gesellschaft (PEG) abgeschlossen war.

Tuchfabrik F. W. Wegener

Tuchfabrik in Wittstock Dosse, Foto: Martin Schramme, 2020 Tuchfabrik in Wittstock Dosse, Foto: Martin Schramme, 2020 Tuchfabrik in Wittstock Dosse, Foto: Martin Schramme, 2020 Tuchfabrik in Wittstock Dosse, Foto: Martin Schramme, 2020 Tuchfabrik in Wittstock Dosse, Foto: Martin Schramme, 2020 Tuchfabrik in Wittstock Dosse, Foto: Martin Schramme, 2020 Tuchfabrik in Wittstock Dosse, Foto: Martin Schramme, 2020 Tuchfabrik in Wittstock Dosse, Foto: Martin Schramme, 2020 Tuchfabrik in Wittstock Dosse, Foto: Martin Schramme, 2020 Tuchfabrik in Wittstock Dosse, Foto: Martin Schramme, 2020 Tuchfabrik in Wittstock Dosse, Foto: Martin Schramme, 2020 Tuchfabrik in Wittstock Dosse, Foto: Martin Schramme, 2020 Tuchfabrik in Wittstock Dosse, Foto: Martin Schramme, 2020 Tuchfabrik in Wittstock Dosse, Foto: Martin Schramme, 2020 Tuchfabrik in Wittstock Dosse, Foto: Martin Schramme, 2020
Die Tuchfabrik befindet sich direkt an der Dosse.
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Die Tuchherstellung war seit dem Mittelalter bedeutend in Wittstock an der Dosse. Um 1800 zählte man im Ort mehr als 80 Tuchmanufakturen, sagen Denkmalschützer. Kaum 100 Jahre später standen am Ende anhaltender Konzentrationsprozesse nur noch zwei große Tuchhersteller: Friedrich Wilhelm Wegener und Friedrich Paul. Die Tuchfabrik Wegener tat sich schließlich mit der Tuchfabrik Draeger-Quandt im nahen Pritzwalk zusammen.

Im fortgeschrittenen Industriezeitalter um 1900 gingen die Tuchfabrikanten mit ihren Fabriken vor die Stadtmauern und die Familien Wegener und Paul verbanden sich letztendlich. Günstig am Flüsschen Dosse gelegen entstanden über die Jahre die für jene Zeit typischen, repräsentativen Industriebauwerke - darunter eine Fabrikhalle mit Sheddach - sowie um 1905 die Fabrikantenvilla. Das markanteste Fabrikgebäude entstand 1917. Wer dort einst baute und wirkte, ist noch heute direkt an der Hauptstraße zu lesen. Wegener lieferte vornehmlich Uniformstoffe für das deutsche Militär.

Von dieser scheinbar regionalen Erfolgsgeschichte gibt es jedoch einen Link zur deutschen Großindustrie und zu einer der reichsten Familien aus Deutschland. Denn noch vor dem Ersten Weltkrieg stieg Günther Quandt in die Wittstocker Tuchfabrik ein. Sein Vater hatte im nahen Pritzwalk durch Cleverness und Geschäftssinn die Tuchfabrik von Johann Draeger übernommen. Kurz und gut: Keimzelle des Quandt-Imperiums war die Prignitz-Region und Wittstock eine der frühen Unternehmensadressen. Später entdeckten die als Tuchfabrikanten bereits sehr erfolgreichen Quandts Bergbau, Chemische Industrie und Rüstungsindustrie für sich. Schon als Tuchfabrikanten hatten die Quandts ihre besten Geschäfte mit dem Deutschen Reich und seinem Militär gemacht. Dass Günther Quandt jene Frau ehelichte, die später als Magda Goebbels, als die Ehefrau des NS-Propagandaministers Joseph Goebbels, in die Geschichte einging, sei nur nebenbei erwähnt. Im NS-Regime liefen die Quandts endgültig zur Höchstform auf, nicht nur wirtschaftlich. Günther Quandt wurde Wehrwirtschaftsführer, nachdem er bereits 1931 zu den Unterstützern der NSDAP gehört hatte. Seine Ahnen Stefan und Susanne gehören heute zusammen 46,7 Prozent der Aktien des Automobilherstellers BMW (Bericht "Die Quandts bekommen demnächst eine Milliarde Euro" in der FAZ 2018).

Das beeindruckende Gebäudeensemble in Wittstock ist als Denkmal ausgewiesen. 2015 fanden sich endlich tragbare Konzepte für das Gelände: Ein Bildungscampus soll entstehen. Bis zum Jahr 2025 will Wittstock das Vorhaben abschließen. Es geht laut Ausschreibung der Stadt um rund 32.000 Quadratmeter (Stand 2020). Die finanziellen Mittel sollen vom Ministerium für Infrastruktur und Landesplanung kommen.

Trivia: Friedrich Wilhelm Wegener war der Großvater des Geowissenschaftlers Alfred Wegener (1880-1930), der die Theorie der Kontinentaldrift entwickelte, also der Erkenntnis, dass die Kontinente der Erde seit Jahrmillionen auseinander- und zusammendriften, was an Afrika und Südamerika besonders gut zu sehen ist, weil die Kontinente wie Mosaiksteine zusammenpassen.

Wer weiß mehr über dieses Fabrikgelände, insbesondere über die Möbelfabrik in der DDR? Und was bedeutet die Aufschrift "PAT" am Tor des Werksgeländes? Bitte hier melden!

Feuerwehrdepot

Feuerwehrdepot in Wittstock Dosse, Foto: Martin Schramme, 2020 Feuerwehrdepot in Wittstock Dosse, Foto: Martin Schramme, 2020

1871 bekam Wittstock an der Dosse ein Spritzenhaus. Außerdem erhielt die Feuerwehr ein Depot, das bis 1974 in Gebrauch blieb. Dann wurde das Objekt ein Lager, 1987 ergänzt durch einen Kiosk. Später zog der Wittstocker Fliegerclub ein. Seit Ende 2005 sitzt die Touristinformation Wittstock/Dosse im alten Feuerwehrdepot, das als Einzeldenkmal aus der Denkmalliste des Landes Brandenburg weiter vorbildlich erhalten wird.

Fliegerhorst Wittstock/Dosse (Alt Daber)

Im Zweiten Weltkrieg befand sich unweit der Stadt ein Fliegerhorst der Deutschen Luftwaffe. Am Standort befand sich unter anderem eine Fallschirmjäger-Ausbildung, in deren Genuss unter anderem der Boxer Max Schmeling und der Schauspieler Joachim Fuchsberger kamen. 1945 übernahmen die Sowjets den Platz für am Ende 49 Jahre. Dass die sowjetischen Fliegerkräfte nicht zum Spaß in der DDR stationiert waren, zeigte sich unter anderem im Jahr 1964. Ein Spionageflugzeug der US Air Force hatte den Luftraum des ersten sozialistischen Staates auf deutschem Boden verletzt und wurde daraufhin von einem sowjetischen Piloten aus Wittstock über Gardelegen abgeschossen. Das hielt die Amerikaner freilich nicht davon ab, auch den Standort Wittstock weiter zu observieren, nicht zuletzt aus dem Weltall. mehr

Betriebe in der DDR
VEB Obertrikotagenbetrieb "Ernst Lück" Wittstock/Dosse (OTB)
VEB Metallurgieanlagen Wittstock
VEB Sperrholzwaren Wittstock
VEB Tuchfabrik Wittstock
VEB Wassertechnik Wittstock
VEB Wittstocker Holzdestillation, Wittstock/Dosse, Ringstr. 24 (VEB Kombinat Industriewaren Rathenow)
VEB Wittstocker Holzindustrie
VEB Wohnungsbaukombinat Potsdam Betriebsteil Plattenwerk Einheit Wittstock/Dosse, Str. der DSF 25
LPG Geschwister Scholl Wittstock

Wirtschaft in Wittstock vor 1945
Hotel Deutsches Haus
Kremmen-Neuruppin-Wittstocker Eisenbahn-Aktien-Gesellschaft (gegr. 1896, KWE)
Prignitzer Zeitung und Wittstocker Anzeiger (1877 bis etwa 1915)
Tuchfabrik Friedrich Paul (gegr. 1845, auf Militärtuch spezialisiert)
Tuchfabrik Friedr. Wilh. Egener (gegr. 1828, auf Militärtuch spezialisiert)
Tuchfabrik Friedrich Paul (gegr. 1845)
Tuchfabrik Wegener (Draeger-Paul-Wegener-Werke)
Wittstocker Wochenblatt (1826 bis etwa 1850)

Eintrag im Brockhaus-Lexikon von 1895
"An der Dosse und der Nebenbahn Perleberg-Mirow (Prignitzer Eisenbahn). Telegraph, alte Stadtmauern. Gasanstalt, Kanalisation. Tuchfabrikation (3 Fabriken), Spinnereien, Färbereien, Fabriken für landwirtschaftliche Maschinen, Wagen, Bürstenhölzer, Seife und Essig, Orgelbauerei, Mühlen, Sägewerke und Ziegeleien."

Begriffslegende
DSF = Deutsch-Sowjetische Freundschaft

Quellen
ausschreibungen-deutschland.de
denkmal-leipzig.de
epic.awi.de (Alfred-Wegener-Institut)
picclick.de