Tschechien, einst Böhmen

Artefakte - Denkmale deutscher Geschichte
Fotos: Martin Schramme | Keine Verwendung der Bilder ohne Nachfrage!
letzte Änderung: 21.03.2021

Österreich-Ungarn, Tschechoslowakische Republik (seit 1918), Reichsprotektorat Böhmen und Mähren (seit 1939), CSSR (seit 1960), Tschechien (seit 1990) - der politisch-administrative Namen der Region, in der sich unter anderem der Keilberg und die Grenzstadt Weipert befinden, hat sich binnen eines Jahrhunderts relativ oft geändert. Durch alle Zeiten gleich blieb die Bedeutung des Gebiets für Wirtschaft und Tourismus.

Klinovec, ehemals Keilberg (Erzgebirge)

Keilberg, Foto: Martin Schramme, 2017 Foto: Martin Schramme, 2017 Foto: Martin Schramme, 2017

Der Kaiser-Franz-Josef-Aussichtsturm, der wie ein Leuchtturm anmutet, wurde im August 1884 übergeben. 1893 kam ein erstes Gästehaus dazu. 1900 wurde ein weiteres Unterkunftshaus errichtet und 1903 ein Stall. Nach einer Anfrage des Militärs erfolgte die Erweiterung der Unterbringungsmöglichkeiten um Räume für Soldaten. 1906 erfolgten diese Bauarbeiten. Im gleichen Jahr wurde eine Fernsprechstelle eingerichtet. Von 1906 bis 1923 wurde eine Straße zum Berg schrittweise ausgebaut. Ein Verein steckte hinter dem gesamten Ausbau des Berggipfels und richtete 1908 eine Ausstellung für Kunstgewerbe- und Industriewaren aus, wofür man eine massive Ausstellungshalle baute, die nach der Schau zum Restaurant wurde. 1909 zog sich das Militär vom Berg zurück, so dass in den frei gewordenen Räumen weitere Fremdenzimmer geschaffen werden konnten. Um mit den Erfordernissen der Zeit Schritt zu halten, erfolgte in den Jahren 1912 und 1913 ein nochmaliger Aus- und Umbau der vorhandenen Anlagen. Zum neuen Komfort gehörten eine Zentralheizung und Elektrizität. Nach dem Ersten Weltkrieg nahmen die Besucherzahlen weiter zu. Bis 1927 reagierte man darauf mit erneuten Aus- und Umbauten. In jener Zeit gab es zudem erste Pläne für eine Seilbahn. In den 1970er Jahren bekam der Keilberg, der seit seiner Übernahme 1945 durch die Tschechen, Klinovec heißt, einen 80 Meter hohen Fernsehturm. Durch Veränderungen im Grenzverkehr mit der DDR kamen ab 1972 zahlreiche DDR-Bürger auf den fast 1244 Meter hohen Berg. Seit der Privatisierung der Anlagen 1991, den Fernsehturm ausgenommen, verfiel das Objekt. 2003 wurde der gewerbliche Betrieb eingestellt. Das Areal kam wieder in die öffentliche Hand und sollte komplett saniert werden. 2004 erfolgte jedoch das Aus wegen des desolaten Zustandes. Zuletzt konzentrierten sich die Bemühungen auf den alten Aussichtsturm, der 2012 und 2013 rekonstruiert wurde. Im Februar 2016 wurde des Gipfelhotel zum Verkauf ausgeschrieben.

1903 wurden Schlittenfahrten populär auf dem Keilberg. Mit dem ersten Weltkrieg begann eine neue Wintersport-Ära und Skier verdrängten die Schlitten.

Weipert (Deutsch-Böhmen)

Fabrik in Weipert, Foto: Martin Schramme, 2017 Foto: Martin Schramme, 2017 Foto: Martin Schramme, 2017

Vejprty, ehemals Weipert (Deutsch-Böhmen), befindet sich im Erzgebirge am Pöhlbach gegenüber von Bärenstein. Zu den frühen wirtschaftlichen Aktivitäten am Ort gehörten der Erz- und der Silberbergbau. Entsprechende Urkunden reichen bis ins 16. Jahrhundert zurück. Beim Auffinden von Silber half wiederholt das Wetter: Einmal war es heftiger Regen, ein anderes Mal ein Sturm, der eine Fichte entwurzelte. Die Fichte mit dem verborgenen Silberschatz unter den Wurzeln schaffte es sogar in das Stadtwappen von Weipert. Der um 1900 hochindustrialisierte Grenzort am der Bahnstrecke Bahnstrecke Komotau Weipert ist Geschichte. Immerhin hat sich die Gemeinde in den vergangenen Jahren bemüht, den Ort wenigstens optisch wieder etwas herzurichten.

Wirtschaft in Weipert vor 1945
A. Kunze & Co. Fabriken geprägter Papp- und Papierwaren (direkt an der Bahnstrecke)
Arwed Schmiedel Prägeanstalt und Kartonnagen-Fabrik Weipert
Brauer & Gutberlet KG Fabrik geprägter Pappwaren, Pappwarenfabrik (Reklame-Wandtaschen, Kalender-Rückwände, Schaufenster-Dekorationen, Preisschilder, Weihnachts-Krippen, Schachteldecken und Kartonnagen-Auflagen)
Brüder Kannenberger GmbH, Fabrikation von Posamenten (gegr. 1854)
Buchdruckerei Albert Ritschel
C.A. Schreiber Posamenten-Fabrik (Möbel-Posamenten, Dekorations-Posamenten für alle Zwecke und für jeden Stil)
Edmund Schmidl Posamenten, Besatzartikel, Spitzen- und Wirkwaren-Fabrik, Weipert-Blechhammer
Eduard Bittner Strumpf-Fabrik
Emil Schönland Weipert, Fabrik für geprägte Sargverzierungen, Trauerwaren und Reklame-Kalender (Sarg-Übertane, Polster, Sargspitzen und Schuhe, papier-Girlanden, Kotillon-Orden und Verzierungen für Luxuswaren, Lampions)
Ernst Barll Strumpf-Fabrik (Damen-Strümpfe in allen Ausführungen, Export nach allen Ländern)
Franz Gahlert & Söhne Zwirnerei, Weberei, Stickerei
Franz Riess & Co. Klöppelspitzen-Fabrik
Gewehrfabrik Gustav Bittner (gegr. 1860)
Gewehrfabrik Gustav Fueckert (gegr. um 1830)
Gewehrfabrik Wenzel Morgenstern & Sohn (gegr. 1875)
Graphische Kunstanstalt Josef A. Endler, Weipert
Hammerwerk zur Blechherstellung
Hans Neusser Posamenten-Erzeugung (gegr. 1899)
Hotel Berbalk
Hotel Blauer Stern
Hotel Stadt Leipzig
Hotel Rohm
Hotel Zahm
Johann Zahm Färberei, Bleicherei, Appretur
Josef Dienelt Posamenten- und Besatzartikel-Fabrikation (Erzeugung und Export von kunstseidenen Tressen, Lacet, Spitzen, Maschinengalons, allen Arten von Fransen, Galonnetzstoffen, Gürtel und Kragen in Maschinen- und Handarbeit)
Josef Partosch Posamenten-Fabrik
Kampf & Harnisch Knopf-Fabrik
Karl Langer & Söhne (gegr. 1896, erzeugen Cotton-Damenstrümpfe aus Natur-Seide, Bemberg-Seide, Kunstseide und Flor)
Kunst- und Seidenfärberei der Brüder Müller
Marie Hofmann Buchbinderei und Kartonagen-Erzeugung
M. Greifenhagen & Co. Dekorationsposamenten-Fabrik (gegr. 1862)
Otto C. Schwaab (gegr. 1899, maschinelle Erzeugung von Perl- und Flittertaschen, Perl- und Flitterbesätzen für den Export)
Posamentenfabrik Julius Schmidl Co. (gegr. 1851. In Weipert wurde 1909 eine staatliche Lehrwerkstätte für Posamentierer eröffnet.)
Rudolf Ritter & Sohn Kunstseiden-Zwirnerei und Seidenweberei
Rudolf Thiele Gewehrerzeugung (Erzeugung moderner Jagdgewehre)
Sporthotel Weipert (größter Saalbetrieb am Platze)
Textilmaschinen-Fabrik Ernst Stöckermann (Bandwebstühle für alle Arten Bänder, Spulmaschinen und Kraftnähtische für die gesamte Textilindustrie, Bastbandmaschinen, Bastband-Druckmaschinen)
Wilhelm Hering AG Stoffhandschuh-, Wirk- und Strickwaren-Fabriken (Marken Hafa Solid, Sprudel und Pullex, weitere Fabriken in Asch, Böhmisch-Wiesenthal und Liebenstein bei Eger)
Wilhelm Müller Bleicherei, Färberei und Appretur (Färben von Baumwolle und Kunstseide)
W. Pleil Klöppelspitzen- und Gardinen-Fabrik
W. Schmidl & Söhne, Besatzartikel- und Möbelposamenten-Fabrik Weipert (gegr. 1760, Spezialitäten: Gardinen-Stoffe, Tressen, Litzen, Möbelborten, Fransen und Schnuren für Tapisserie und Innendekoration, Teppich- und Holzperlfransen, Kinderwagen-Posamenten, Autoborden)

Begriffslegende
Bemberg-Seide = Cupro, Kupferseide, Kupferfaser (hergestellt aus Cellulose im Kupferoxid-Ammoniak-Verfahren)
Kotillon-Orden = Papier-Orden, war Teil einer Reihe von dekorativen Papierwaren, die fabrikmäßig hergestellt wurden und sehr populär waren als kleine Geschenke auf Bällen (Tanzveranstaltungen), insbesondere in der Zeit zwischen 1860 und 1914.

Links
Denkmalpflege Weipert
weipert-erzgebirge.com
weiperter-vorfahren.de