Oschatz - Sachsens Filz-Metropole

Artefakte - Denkmale deutscher Geschichte
Fotos: Martin Schramme | Keine Verwendung der Bilder ohne Nachfrage!
letzte Änderung: 15.08.2023

Im 19. Jahrhundert entwickelte sich das Deutsche Reich zu einem mächtigen Industriestaat. Auch in Oschatz war das so. 1838 wurde die Stadt an die erste deutsche Ferneisenbahnstrecke Leipzig-Dresden angeschlossen und die Eisenbahn beschleunigte die wirtschaftliche Entwicklung. Die Stadt Oschatz entwickelte sich hervorragend und war offenbar in so guter Verfassung, dass man sich - ganz im Geiste jener letzten Jahre des Deutschen Kaiserreichs - 1911, also am Vorabend des Ersten Weltkriegs, eine Ausstellung für Gewerbe, Industrie und Landwirtschaft leistete.

VEB Filzfabrik Oschatz
(gegr. 1834 als Filzschuhwarenfabrik Ambrosius Marthaus, Oschatz, seit 1913 in der neuen Fabrik)

Filzfabrik Oschatz, Foto: Martin Schramme, 2015 Filzfabrik Oschatz, Foto: Martin Schramme, 2015 Filzfabrik Oschatz, Foto: Martin Schramme, 2015 Filzfabrik Oschatz, Foto: Martin Schramme, 2015

Der gelernte Hutmacher Ambrosius Marthaus übernahm 1834 das Hutgeschäft seines Vaters und verlegte sich auf die erfolgversprechendere Filzfabrikation. In der Hospitalgasse begann er die Herstellung von Filzschuhen und Haarfilztafeln, damals ein neuartiges Produkt. 1838 erregte er in Berlin mit seinen Erzeugnissen, darunter Satteldecken, die nötige Aufmerksamkeit. Im Herbst 1838 konnte er sein Firmengelände kaufen. Nur knapp vier Jahre später, am 7. September 1842, trieb ein Brand in der Filzfabrik den jungen Unternehmer fast in den Ruin. Doch Marthaus ließ dadurch nicht bremsen. Mit den Resten seines Warenlagers suchte er die Michaelismesse in Leipzig auf, wo er Abnehmer und einen Auftrag über Satteldecken abschließen konnte. Das Geschäft wuchs, so dass es sich schließlich lohnte, eine große neue Filzfabrik zu errichten. Im Juni 1913 standen die Fabrikgebäude da, wo heute die "alte Filzfabrik" ist. Die Filzfabrikation entwickelte sich zu einer Kommanditgesellschaft und im Herbst 1930 zu einer Aktiengsellschaft, der Ambrosius Marthaus, Filz- und Filzwarenfabriken AG Oschatz. 1932 wurde die Schuhfabrikation in ein eigenständiges Unternehmen überführt, die Marthaus Schuhfabrik GmbH.

Städtisches Elektrizitätswerk

altes Elektrizitaetswerk in Oschatz, Foto: Martin Schramme, 2015 altes Elektrizitaetswerk in Oschatz, Foto: Martin Schramme, 2015

Ein Meisterwerk der Architektur ist das alte Städtische Elektrizitätswerk in Oschatz. Das Objekt gehörte 1911 zur "Ausstellung für Gewerbe, Industrie und Landwirtschaft in Oschatz und befand sich, getrennt durch die Lichtsträße neben der Städtischen Gasanstalt.

Alter Schlachthof Oschatz

Schlachthof Oschatz, Foto: Martin Schramme, 2015 Schlachthof Oschatz, Foto: Martin Schramme, 2015

Das Logo in Fliesenform - ein Ochsenkopf und gekreuzte Schlachtbeile - verrät, was hier einst geschah: Vieh wurde geschlachtet im Schlachthof von Oschatz.

Post- und Fernmeldeamt Oschatz

Post- und Fernmeldeamt Oschatz, Foto: Martin Schramme, 2015 Post- und Fernmeldeamt Oschatz, Foto: Martin Schramme, 2015 Post- und Fernmeldeamt Oschatz, Foto: Martin Schramme, 2015 Post- und Fernmeldeamt Oschatz, Foto: Martin Schramme, 2015 Post- und Fernmeldeamt Oschatz, Foto: Martin Schramme, 2015 Post- und Fernmeldeamt Oschatz, Foto: Martin Schramme, 2015

Wie man in der DDR in den 1950er Jahren um symbolträchtige Architektur bemüht war, zeigt die neuzeitlicher Gestaltung des Post- und Fernmeldeamtes in Oschatz aus dem Jahre 1952 geradezu exemplarisch.

Richard Zapf (Schmied bzw. Hufschmied)

Richard Zapf, Foto: Martin Schramme, 2015 Richard Zapf, Foto: Martin Schramme, 2015

Richard Zapf war Schmied und Hufschmied in Oschatz. Der Firmenname war im Jahr 2015 noch gut erhalten. Gleiches galt für die Symbole seines Handwerks: links drei Hufe für das Hufschmieden und rechts Hämmer und Zange.

Fleischwaren Oschatz GmbH (Fleiwa)

Fleiwa in Oschatz, Foto: Martin Schramme, 2015 Fleiwa in Oschatz, Foto: Martin Schramme, 2015

1958 schlossen sich füf Handwerksmeister zusammen, um eine Produktionsgenossenschaft des Fleicherhandwerks (PGH) zu gründen. Produktionsbeginn war am 1. August. Beliefert wurde vor allem Geschäfte der volkseigenen Handelsorganisation (HO) in Oschatz, Wurzen und Riesa sowie die Reichsbahn-Gastronomie "Mitropa". Jahrelang wurde an drei Standorten (Werk I bis Werk III) produziert, 1978 erfolgte die Zusammenlegung an einem Ort. Aus der PGH ging zum 1.1.1991 die Oschatzer Fleischwaren GmbH hervor.

Zuckerfabrik Oschatz (1893-1990)

1893 gegründet wurde die Zuckerfabrik seit Oktober 1945 durch die Sowjetische Militäradministration (SMAD) verwaltet. 1947 begann die Verstaatlichung der Zuckerfabriken in der Ostzone, 1952 war sie abgeschlossen. Ab 1955 saß die Hauptverwaltung für alle Zuckerfabriken der DDR in Halle an der Saale. 1965 wurden 36 Zuckerfabriken zu 13 Großbetrieben zusammengefasst. Oschatz wurde einer der Großbetriebe und bekam die Fabriken in Brottewitz, Döbeln und ab 1967 auch Löbau zugeteilt. Nach Jahren mit immer neuen Modernisierungsmaßnahmen wird die Fabrik in Oschatz ab 1980 dem VEB Zuckerkombinat Leipzig zugeschlagen. Zum Kombinat gehörten zu der Zeit noch Betriebe in Delitzsch, Döbeln, Makranstädt und Rositz. Hauptbetrieb ist Delitzsch. Ab 1984 hieß die übergeordnete Struktur VE Kombinat Zucker. 1986 wird die Zuckerproduktion in Oschatz eingestellt, während die Futtermitteltrocknung weiter läuft. Ende März 1990 wurde aus dem VE Kombinat Zucker die Ostzucker AG. Nach der Angliederung der DDR Anfang Oktober 1990 verhandelte die Treuhandgesellschaft mit westdeutschen Unternehmen. Ab Ende April 1991 war Oschatz Einflussgebiet der Südzucker AG, die den Standort endgültig dicht machte.

Umfangreiche Informationen zur Geschichte der Zuckerfabrik Oschatz sind auf vier wunderbaren Seiten des Oschatzer Geschichts- und Heimatvereins zu finden.

Betriebe in der DDR (1949-1990)
VEB Bau Oschatz
VEB Betonwerk Oschatz (VEB Baustoffkombinat Leipzig)
VEB Elektrik Oschatz
VEB Elektrobau Oschatz
VEB Erstlings- und Kinderbekleidungswerk Oschatz (VEB Kombinat Trikotagen Karl-Marx-Stadt)
VEB Filzfabrik Oschatz
VEB Gebäudewirtschaft Oschatz (bis 1972 Kommunale Wohnungsverwaltung Oschatz)
VEB Getränke Oschatz
VEB Glasseidenwerk Oschatz, Wellerswalder Weg 17 (gegr. 1966, erst VVB Technisches Glas Ilmenau, dann VEB Flachglaskombinat Torgau)
VEB Heilkräuter Oschatz
VEB Kfz-Instandsetzungswerk Oschatz
VEB Kindertrikotagen Oschatz
VEB Kohlenhandel Leipzig, Lager Oschatz
VEB Kreisbaubetrieb Oschatz
Kreisbetrieb für Landtechnik (VEB Kombinat Landtechnik Leipzig)
VEB Kreisdruckerei Oschatz
VEB Kunststein- und Betonwerk Oschatz (VEB Verkehrs- und Tiefbaukombinat Leipzig) VEB Landbaukombinat Leipzig in Oschatz (1965 gebildet)
VEB Metallverarbeitung Oschatz
VEB Ofenbau Oschatz
VEB Oschatzer Waagenfabrik
VEB Rolladenbau Oschatz
VEB Schlachthof Oschatz
VEB Spulenkörper Oschatz
VEB Technische Filze Oschatz
VEB Zuckerfabrik Oschatz / VEB Zuckerkombinat "Ernst Thälmann" Oschatz

Wirtschaft und Leben vor 1945
Adolf Müller Kupferwarenfabrik und Eisenhandlung (gegr. 1835)
Alfred Wolf Leder- und Filzschuhwaren (gegr. 1906)
Ambrosius Marthaus, Filz- und Filzwaren-Fabriken AG Oschatz (gegr. 1834, Original Oschatzer Filz-Schuhwaren)
Bruno Kettner Sattler und Tapezierer (Anfertigung von Geschirren und Polster-Arbeiten aller Art, reichhaltiges Lager von Fahr-, Jagd-, sowie Reit- und Reise-Utensilien, Delmenhorster Linoleum)
Bruno Schöne Holzbearbeitungs-, Jalousie- und Rolläden-Fabrik
C. A. Seifert Nachf. (Briketts, Koks, Brennholz, Getreide, Futter, Düngemittel, Sämereien, An- und Abfuhr)
Chemische und Seifenfabrik R. Baumheier AG Abteilung Farben-Fabrik Oschatz-Zschöllau und Bodenbach C. S. R. (Rostschutzfarbe "Osmal", Textilveredlung, Produkte u. a. Pergluton ST zum Weichmachen und Mattieren von Seide und Pergluton K 2 zum Weichmachen von Mischgewebe)
Chemische Fabrik und Orientalische Parfümerie REPA Oschatz/Sachsen
Emil Richter Bauglaserei mit Kraftbetrieb, Altoschatzer Strasse (gegr. 1895, großes Lager von Porzellan, Steingut, Glaswaren, große Auswahl von Spiegeln, Anfertigung sämtlicher Glasarbeiten)
Ernst Franke Fabrik wollener ud baumwollener Strick- und Häkelwaren und Fantasie-Artikel
Fedor Göthel Lithographische Anstalt, Buch- und Steindruckerei, Verlag des Oschatzer Tageblattes
Fr. August Rehn Backofen-Neu- und Umbau, Ofensetzerei und Lager feuerfester Schamotte- und Herdplatten, Oschatz, Miltitzstr. 4
Friedrich Werner Nachf. Biergroßhandlung, Limonaden- und Selterswasser-Fabrik
Gebrüder Pfitzer Fabrik von Centesimal-, Decimal-, Brückenwaagen und Waagen aller Art in Oschatz (gegr. 1845)
Georg Mattes Elektrotechnische Werkstatt für Reparaturen an Elektromotoren, Dynamomaschinen usw.
G. H. Nuster, Fabrik feiner wollener Filet-Häkel- und Strickwaaren
Hanfspinnerei Reinhold Pinkert, Oschatz
Heinrich Löbner Fahrräder und Maschinen
Hermann Bock Kaffee- und Getreide-Großrösterei Oschatz
H. Mannewitz Buchbinderei, Buch- und Papierhandlung (Geschenkartikel, feine Lederwaren, Formular-Lager)
Jalousie- und Rolladenfabrik Bruno Schöne
J. G. Fischer Filzfabrik Oschatz (Filz-Satteldecken, Stückfilze, Tafelfilze, Schuhfilze, Sattelfilze, Piano-Mechanikfilze, Filze für alle technischen Zwecke)
Julius Justin erstes Special-Geschäft in sämtlichen Bedarfs-Artikeln für Tapezierer, Sattler, Wagenbauer
Karl Claus Bau- und Möbeltischlerei mit Kraftbetrieb, Sarglager, Körnerstr. 21 (gegr. 1889)
Karl & Ernst Hauschild, Elektro-Installateurmeister (Herstellung aller elektrischen Licht-, Kraft- und Schwachstrom-Anlagen jeder Art in peinlichst sauberer Ausführung bei billigster Preisberechnung, Anker-Wickelei, Reparatur-Werkstatt, Akkumulatoren-Ladestation, Lager von Elektromotoren sowie modernen elektrischen Beleuchtungs-Körpern in allen Preislagen, Glühlampen, Koch- und Heiz-Apparate, Stark- und Schwachstrom-Material in reichhaltiger Auswahl, Rundfunk-Geräte)
Kopp & Haberland Waagen-Fabrik Oschatz (gegr. 1872, Neigungs-Schnellwaagen)
Kunststein- und Granitwerke Otto und Robert Gessner (gegr. 1888)
L. Heyde Dekorationsmaler, Atelier für moderne Dekorationsmalerei, Oschatz, Steinweg 8 (Schriften-Malerei und Möbel-Lackiererei)
Mineralwasserfabrik Friedrich Werner
Modenhaus Carl Nebel jr. Nachf., Oschatz, Hospitalstr. 2 und 4 (Kurzwaren, Trikotagen, Strümpfe, Wollgarne, Herrenwäsche, Wollwaren, Handarbeiten, Schürzen, Baumwollwaren)
Moritz Schubert Schuhmachermeister, Altoschatzer Strasse 29 (gegr. 1887, Anfertigung nach Mass, Reparatur-Werkstatt, Lager eleganter, moderner Schuhwaren)
M. Rockstroh, Atelier für Photographie
Otto Loose Schneidermeister (Anfertigung vornehmer Herrenbekleidung, Stoof- und Musterlager)
Otto Schumann Klempnerei und Installation für Gas-, Wasser-, Dampf- und Elektrische Anlagen (Spezialität: Klosett- und Bade-Einrichtungen)
Otto & Robert Gessner Kunststein- und Granitwerke, Zschöllau
Paul Olbrich Fahrrad- und Nähmaschinenhandlung
P. F. Schönberner KG Oschatz, Spielwarenfabrik
Porphyr-Steinbruch Carl Hofmann, Oschatz
Reinhold Leonhardi, Technische Drogen, Farben, Lacke aus Düsseldorf
Richard Frauendorf Ton-, Chamotte- und Dachsteinwerke Lonnewitz-Oschatz
Richard Zapf Hufbeschlag und Wagenbau (gegr. 1882, Elektrischer Betrieb, Autogene Schweißanlage, Spezialität: Autofedernreparatur und Lager neuer Federn)
Städtische Gasanstalt Oschatz
Strickwarenfabrik Wilhelm Bieger (gegr. 1859)
Tabakwarengroßhandlung Emil Reiche (gegr. 1883)
Tuchfabrik Carl Gelbricht (gegr. 1864)
Tuch- und Filzfabrik von Johann Fischer (gegr. 1880)
Wilhelm Moritz Schlosserei und Eisenkurzwaren (Öfen, Ofenrohre, Roste, Platten, Drahtgeflechte, Drahtnägel)
Zuckerfabrik Oschatz GmbH

Eintrag im Brockhaus-Lexikon von 1894
An der Döllnitz und den Linien Leipzig-Riesa-Dresden, Oschatz-Strehla und der Nebenlinie Nerchau-Trebsen-Oschatz. Postamt erster Klasse, Telegraph, Fernsprecheinrichtung, Hochdruckwasserleitung, Kanalisation, Gaswerk. Zuckerfabrik, Fabrikation von Filzwaren, Brücken- und Tafelwagen, gehäkelte Wollwaren, Tuch und Leder. In der Nähe ein Eisenbahnviadukt (420 Meter lang) über das Döllnitztal mit 26 Pfeilern.

Quellen
baunetzwissen.de
oschatz-damals.de
oschatzer-heimatverein.de
picclick.de
wikisource.org

Begriffslegende
Delmenhorster Linoleum = Von England kommend trat das Linoleum im 19. Jahrhundert als damals einziger industriell herstellbarer Bodenbelag, der leicht zu verlegen war, seinen Siegeszug auch in Deutschland an. Zu dem deutschen Linoleum-Produktionsstandort schlechthin entwickelte sich Delmenhorst. In den Jahren 1882 bis 1898 entstanden dort drei Produzenten: die Delmenhorster Linoleumfabrik (ab 1896 Hansa-Lino­leumwerke Delmenhorst), die Anker- und die Bremer Linoleumwerke Delmenhorst mit der Marke Schlüssel.