Patifakte - Denkmale der Geschichte

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letzte Änderung am 04.02.2024
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Projekt Artefakte Mitteldeutschland: Hintergründe & Grundsätze

Mitteldeutschland war einst die Industrie- und Kulturregion des Deutschen Reiches - wie das Ruhrgebiet. Wegen der vergleichsweise langsamen Modernisierung der Anlagen und der niedrigen Reinvestitionsquote sowie der im internationalen Maßstab mittelmäßigen Arbeitsproduktivität in der DDR (1949 bis 1990) blieben die Großbetriebe oft inklusive ihrer technischen Anlagen zum Teil aus 1920er/1930er Jahren bis 1990 erhalten. Der massive Umbruch seit der Angliederung der DDR an die BRD hat aus verschiedenen Gründen die massenhafte Stilllegung dieser DDR-Wirtschaftsbetriebe bewirkt. So wurden die Industriebrachen seit Mitte der 1990er Jahre immer zahlreicher. Wie Zeugnisse aus einer anderen Zeit stehen sie herum und verfallen und noch immer sind die Bestände beachtlich, wenn man bedenkt, dass viele Anlagen bereits abgerissen wurden (Stand: 2010 bis 2020). Neben vielen traurigen Beispielen gibt es hier und da aber auch Hoffnung, Vereine und Initiativen, die die Rettung alter Bauwerke vorantreiben. Leider ist das Artefakte-Projekt in vielen Fällen ein Wettlauf mit der Zeit gegen Schrottdiebe, Randalierer, abrisswütige Politiker, geschichtsvergessene Unternehmer und den Zahn der Zeit, damit wenigstens ein paar Bilder an das erinnern, was einst mit viel Schweiß, Blut, Geld und Ressourcen errichtet wurde. (Stand: März 2020)

Epochen des Bauens
Kaiserzeit: Mit dem 1850 einsetzenden Industriezeitalter und der in den 1880er Jahren folgenden Gründerzeit erlebte Deutschland eine Zeit beispiellosen Wachstums. Bahnbrechende Erfindungen, neue Technologien sowie mehr politische und wirtschaftliche Freiheit fanden ihren Ausdruck in prächtigen Unternehmungen. Stolz und Macht der neuen Zeit mischten sich mit den Insignien des Kaisertums. Großunternehmer waren nun die Fürsten der neuen Zeit und stellten ihren Einfluss und Reichtum gern zur Schau. Die führenden Unternehmer und ihre Architekten ließen Fabriken errichten, deren Kubatur an Burgen und Schlösser erinnert. Allein die Baustoffe entsprachen der industriellen Massenfertigung, so dass Ziegelsteine, vor allem rote und gelbe, in großer Zahl zum Einsatz kamen. Fabriken waren nicht nur Produktionsstätten, sondern Landmarken, Machtzentren, Leistungsschau oder wie Wolfgang Ebert und Achim Bednorz in einem Buchtitel schrieben "Kathedralen der Arbeit". Noch war Deutschland ein Kaiserreich, auch im Industriebau.

Weimarer Republik: Ziegel zu fertigen und Mauern hochzuziehen, war aufwändig. Beton, Stahl und Glas versprachen schnelleres Bauen. Je besser man die Herstellung dieser Materialien beherrschte, desto mehr kamen sie in Betracht, um sie anstelle der Ziegel zu verwenden. Schließlich trugen Architekten einen erheblichen Teil dazu bei, Bauwerke mehr und mehr auf ihre Funktionalität zu reduzieren. Zweckbauten entstanden, wobei das Bauhaus in Dessau den Trend wesentlich bestimmte. Die nach dem Ersten Weltkrieg zur Weltmacht aufstrebendne Vereinigten Staaten von Amerika wurden zudem mehr und mehr zum Trendsetter. Der alte Kontinent (Europa) schaute nun zunehmend auf den neuen.

Nationalsozialismus: An der Ästhetik der Bauhäusler schieden sich schon in den 1920er Jahren die Geister. Wo die einen die sinnvolle und formschöne Beschränkung auf das Wesentliche sahen, spotteten andere über eintönige Hässlichkeit. Bei den Nationalsozialisten war Bauhaus verpönt. Nicht nur der Baustil selbst war der Grund dafür. Vielmehr waren auch die internationalen Verbindungen bis nach Moskau (jüdisch-bolschewistisch) und New York (jüdisch-plutokratisch) suspekt. Das NS-Regime fand stattdessen Gefallen an monumentalen Bauwerken und tendierte bei deren Ausstattung zu kitschigem Pomp. Waren die Bauten der Kaiserzeiten für Jahrhunderte gebaut, so war nun das Tausendjährige Reich der Maßstab. Dafür griffen die Nazis bevorzugt zu Granit und Travertin und mehr als ihre Vorgänger zu Stahlbeton.

Sozialismus: Die DDR definierte sich als antifaschistischer Staat, begann jedoch zunächst ebenfalls mit monumentalem Bauen, denn bis zu seinem Tod 1953 war Josef Stalin, der Staatschef der Sowjetunion und dessen Architekturgeschmack, das Maß aller Dinge. Doch Mittel und Materialien begrenzt, um Neues zu bauen. Dafür gab es zahlreiche Gründe: die massiven Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges (1939-1945) etwa in Berlin, Magdeburg und Dresden, Verheerungen durch umfangreiche Demontagen im Zuge der Kriegsreparationen, der Verlust zahlreicher Fachkräfte und technischer Dokumentationen an die US-Amerikaner, die in weiten Teilen der späteren DDR vor den Russen eintrafen, die anhaltende Abwanderung von Menschen in den Westen (infolge der Angst vor den Russen, Ablehnung des Sozialismus, Enttäuschung nach Enteignung), Verlust der deutschen Ostgebiete und die Trennung von den Wirtschaftszonen Westdeutschlands (somit auch von wichtigen Rohstofflieferanten). Daher war die DDR meist darauf angewiesen, alte Betriebe zu reaktivieren und deren Substanz bis zur Erschöpfung zu nutzen. Trotz immenser Investitionen insbesondere in Bergbau, Chemie, Maschinenbau und Mikroelektronik blieb es bis zum Ende der DDR 1989/90 bei der prekären Lage, die sich seit der Ölkrise 1973 immer weiter zuspitzte, auch weil der sozialistische Wirtschaftsverbund RGW immer schlechter funktionierte. Als die Treuhandgesellschaft 1990 zur Privatisierung ansetzte hatten weite Teile der DDR-Wirtschaft musealen Charakter. Schon aufgrund der materiellen Engpässe, aber auch aus der lange ablehnenden Haltung gegen alle Hinterlassenschaften der Bourgeoisie errichtete die DDR schrittweise Neubauten in der meist schlichten und vergleichsweise preiswerten Plattenbauweise. Im Vordergrund stand der Zweck der Bauwerke, weniger ihre Ästhetik. Dass sich die Bauherren dieses Defizits jedoch von Anfang an bewusst waren, zeigt sich an den intensiven Bemühungen, die Neubauten durch "Kunst am Bau" − oft Keramiken und Plastiken − optisch aufzuwerten. Für die historische Substanz waren die Materialengpässe in der DDR Fluch und Segen zugleich. Einerseits verfielen die Bauwerke aus Kaiserzeit, Weimarer Republik und NS-Zeit immer mehr und wurden oft nur notdürftig geflickt, andererseits blieben die meisten von ihnen in Benutzung und überdauerten die Jahre. Die DDR brauchte jeden Raum, um die eigene Versorgung zu sichern, um die Reparationen zu schultern und um die Valuta zu erwirtschaften, die für wichtige Importe aus dem Westen benötigt wurden.

Wende bis zum Jahr 2000: In den Jahren 1990 bis 1995 gingen in den meisten Objekten des Industriemuseums DDR die Lampen aus. Die Privatisierungsaktivitäten der mit weitreichenden Vollmachten ausgestatteten Treuhandgesellschaft bedeuteten für wesentliche Teile der DDR-Wirtschaft das schnelle Aus. Windige Geschäftsleute plünderten im wilden Osten. Mit der Einführung der D-Mark im Juli 1990 standen die DDR-Betriebe mit dem Rücken zur Wand. Ihr Ostgeschäft brach zusammen und im Westen bekamen sie keinen Fuß herein. Ein immenser Investitionsbedarf in neue technische Anlagen und in die Instandhaltung der heruntergewirtschafteten Objekte war kaum mit Krediten zu schultern, denn es fehlte an Rücklagen und Sicherheiten. Nebst Streitereien um Eigentumsfragen ("Rückgabe vor Entschädigung") gehörte vielen Unternehmungen nicht einmal der Grund und Boden, auf dem sie sich befanden, denn in der DDR waren wesentliche Teile des Landes Volkseigentum, das nicht gekauft, nur gepachtet werden konnte. Dieser Umstand trug unter anderem zum Untergang der KONSUM-Genossenschaften bei. Wende-Kanzler Helmut Kohl hatte den Ostdeutschen "Blühende Landschaften" versprochen. Die Blüte war bald weithin sichtbar: Unkraut auf Industrieruinen und Industriebrachen!

Zeit nach dem Jahr 2000: Nach Jahren des Verfalls kam mit der Energiewende, die von der rot-grünen Bundesregierung (1998-2005) vorangetrieben wurde, der beschleunigte Abriss vieler noch aus der Kaiserzeit stammender Industrieanlagen, welche die Wende bis dahin überstanden hatten. Das Gesetz für den Ausbau erneuerbarer Energien (EEG) war die Initialzündung für den massiven Ausbau insbesondere von Solarkraftwerken, Windkraftanlagen und Biodieselanlagen. Wegen des enormen Flächenbedarfs und der lukrativen Geschäfte rückten nun die zahlreichen leerstehenden Industrie-, Wirtschafts- und Militärobjekte in den Fokus der Investoren. Gleichzeitig führte der Vormarsch des Internets (inklusive Google und Google maps) und der digitalen Fotografie (zunehmend auch mit Smartphones) zur explosionsartigen Verbreitung von Bildmaterial und Ortsbeschreibungen zu verlassenen Industrieanlagen und deren massiver Zerstörung durch Krawalltouristen. In der Folge der Zerstörungen sind die Verwalter der Immobilien dazu übergegangen, die Objekte mit Bewegungsmeldern und Kameras zu überwachen. Das Besuchen, Fotografieren und Betrachten der Ruinen historischer Objekte ist inzwischen kein exotisches Hobby mehr, sondern ein weitverbreiteter Freizeitvertreib.

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DDR-Wirtschaft
Die meisten volkseigenen Betriebe, die es einmal in der DDR gab, sind zerschlagen, abgerissen, verfallen und verrottet. Das ganze Ausmaß wird erkennbar, wenn man einmal in alten DDR-Messekatalogen blättert. Die nachfolgende Aufzählung der VEBs und Kombinate entstammt unter anderem dem Herbstkatalog der Leipziger Messe 1979.

Betriebe in der DDR eine Übersicht

Das waren die größten Kombinate der DDR: VEB Kombinat Robotron Dresden (66.140 Angestellte), VEB IFA-Kombinat Personenkraftwagen Karl-Marx-Stadt (63.231), VEB Kombinat Schiffbau Rostock (55.554), VEB Kombinat Fortschritt Landmaschinen Neustadt (54.716), Kombinat VEB Carl Zeiss Jena (54.217), VEB Kombinat Baumwolle Karl-Marx-Stadt (50.758), VEB Kombinat Trikotagen Karl-Marx-Stadt (50.436), VEB Kombinat Automatisierungsanlagenbau Berlin (48.807)

Markennamen und Produkten in der DDR
DDR-Duftmuseum

DDR-Deutsch

Link-Tipps
Steinerne Zeugen der Geschichte zu fotografieren, ist ein Hobby, dem auch andere nachgehen. Manche sammeln Objekte, andere verstehen sich zudem als Künstler. So oder so ist beachtlich und wirklich spannend, was es so alles gab und gibt. Eine Auswahl interessanter Seiten folgt an dieser Stelle.

Denkmalliste für Halle Saale

Umfangreich dokumentierte Lost Places
Leipziger Lost-Places-Filmprojekt
Kolonialwaren & Co
Sperrzone
Marodes (Schönheit des Verfalls)
Industriekultur Fotografie
Dubtown Urban Exploring
Lost Areas
Industriedenkmal
Ruinenland
Rotten Places
Geschichtsspuren (Interessengemeinschaft für historische Militär-, Industrie- und Verkehrsbauten)
Bunker und mehr
Bunkerpictures
Untertage-Übertage
Spurensammler (echt sehenswert)
sehenswerte Artefakte in Russland

spezielle Seiten
Chernobyl | Fotos von Pripjat aus den Jahren 2008 und 2009
Duga-Projekt - Mega-Antenne der Sowjetunion
vergessene Flugplätze in Europa

Link-Empfehlung
historische Fahrräder
u. a. alte Rechnungen
Karten mit interessanten Locations
Treuhand: Karte der DDR-Betriebe

Nachtrag: Warum eigentlich Patifakte?
Patifakte ist ein Kunstwort, das sich aus Patina und Artefakte zusammensetzt. Patina ist der Begriff für Oberflächen, die entstehen, wenn Dinge altern. Artefakte sind historische Hinterlassenschaften, Bauwerke, Objekte und Dokumente, die einen Blick in die Geschichte ermöglichen wie in keinem Lehrbuch. Artefakte sind von unvergleichlicher Authentizität. Das Foto- und Dokumentations-Projekt "Patifakte" will echte Geschichte dokumentieren, wirtschaftliche und kulturelle Wurzeln ausgraben und erforschen und der Frage nachgehen, was bleibt. Außerdem will es an die Menschen appellieren, das Vergangene genauer zu betrachten, seinen Wert zu erkennen und seine Rettung und Überlieferung zu unterstützen.